Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegenstand der Prüfung des BFH im Revisionsverfahren ist die Prüfung des Urteils des FG in rechtlicher Hinsicht. Deshalb ist für die Entscheidung des BFH grundsätzlich der Sachverhalt maßgebend, der vom FG festgestellt wurde. Klageänderungen verändern den Prozessstoff auch in tatsächlicher Hinsicht, sodass hierfür im Revisionsverfahren kein Raum bleibt. Dies gilt auch für den Übergang von einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage, z. B. wenn der Stpfl. statt einer Anfechtung der Steuerfestsetzung nunmehr den Erlass der Steuerforderung begehrt (BFH v. 11.02.2009, X R 51/06, BFH/NV 2009, 1273). Zum Begriff der Klageänderung s. § 67 FGO Rz. 4. Eine Klageerweiterung ist zwar keine Klageänderung, gleichwohl aber im Revisionsverfahren ausgeschlossen, weil es bzgl. der Erweiterung an einer vorhergehenden erstinstanzlichen Entscheidung fehlt (BFH v. 21.04.1983, IV R 217/82, BStBl II 1983, 532; BFH v. 01.06.2016, X R 43/14, BStBl II 2017, 55). Hingegen ist eine Einschränkung des Klage- bzw. Revisionsantrags zulässig (BFH v. 19.07.1994, VIII R 58/92, BStBl II 1995, 362). Auch der Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Revisionsverfahren zulässig (BFH v. 21.02.2006, IX R 78/99, BStBl II 2006, 399).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einen gesetzlich geregelten Sonderfall einer Klageänderung betrifft § 68 FGO, wonach ein geänderter Verwaltungsakt automatisch, d. h. ohne Antrag, zum Gegenstand des Verfahrens wird. Dies führt auch im Revisionsverfahren dazu, dass sich der Streitgegenstand ändert. Insoweit erstreckt sich die Verweisung in § 121 FGO auch auf § 68 FGO, da revisionsrechtlich keine abweichende Behandlung geboten ist. Zudem geht § 127 FGO ausdrücklich von der Anwendbarkeit des § 68 FGO aus. Der Revisionskläger muss auf die Änderung des Verwaltungsaktes mit einer Anpassung des Klageantrages reagieren. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Ist mit dem geänderten Verwaltungsakt dem Klage- und Revisionsbegehren vollumfänglich entsprochen, ist der Rechtsstreit für erledigt zu erklären, da ansonsten die Revision wegen nun fehlender Beschwer zurückzuweisen wäre.
  • Bei einer Teilabhilfe muss der Antrag auf den verbleibenden streitigen Teil beschränkt werden.
  • Hat die Änderung des Verwaltungsaktes zu einer Verböserung geführt, z. B. in Folge einer Betriebsprüfung, will der Revisionskläger aber den Änderungsumfang nicht anfechten, kann er den Antrag auf das bisherige Begehren beschränken. In diesem Fall wird der geänderte Verwaltungsakt zwar ebenfalls Gegenstand des Verfahrens, jedoch vermeidet der Revisionskläger hinsichtlich des neuen Teils das Kostenrisiko. Der BFH kann in diesem Fall ohne inhaltliche Berücksichtigung der neuen Regelungen des Verwaltungsaktes über die Revision entscheiden, da der Tatsachenstoff unverändert bleibt; einer Entscheidung nach § 127 FGO bedarf es nicht.
  • Will der Revisionskläger auch gegen den verbösernden Teil des Verwaltungsaktes vorgehen, muss er den Antrag entsprechend fassen; dabei darf er wegen der Besonderheiten des § 68 FGO auch über den ursprünglichen Antrag hinausgehen. Die Entscheidung des BFH richtet sich in diesem Fall nach § 127 FGO; s. § 127 FGO Rz. 1.
 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wer in der ersten Instanz vom Finanzgericht beigeladen wurde, bleibt Verfahrensbeteiligter auch in der Revisionsinstanz, auch wenn er nicht selbst Revision eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn das FG zu Unrecht beigeladen hat (BFH v. 17.03.2013, VI R 15/12, BFH/NV 2013, 1242). Neue Beiladungen sind im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässig (§ 122 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Ausnahme sieht jedoch § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO für die Fälle der notwendigen Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO vor. Danach kann der BFH notwendige Beiladungen auch noch im Revisionsverfahren vornehmen. Die Entscheidung steht im Ermessen des BFH (u. a. BFH v. 17.04.2013, VI R 15/12, BFH/NV 2013, 1242). Sie dürfte nur dann sinnvoll sein, wenn auch in Folge der Beiladung nicht damit zu rechnen ist, dass weitere Sachverhaltsermittlungen notwendig werden, da der BFH in diesem Fall ohnehin nur eine Zurückverweisung an das FG in Betracht kommt. Ist die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen voraus zu sehen, kann der BFH die FG-Entscheidung wegen Verfahrensmangels (unterlassene notwendige Beiladung) auch ohne Beiladung aufheben und zurückverweisen (BFH v. 21.02.2017, VIII R 24/16, BFH/NV 2017, 899); das FG hat dann im zweiten Rechtsgang die Beiladung nachzuholen.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 122 Abs. 2 FGO kann der durch den BFH Beigeladene Verfahrensmängel nur binnen einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Beiladungsbeschlusses rügen. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und soll vermeiden, dass der Beigeladene noch in einem späten Stadium des Verfahrens erreichen kann, dass die Sache an das FG zurückverwiesen wird. Insoweit besteht ein Zusammenhang mit § 126 Abs. 3 Satz 2 FGO, nach der eine Zurückverweisung schon bei einem berechtigt...

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