1 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Das angefochtene Urteil des FG ist mit der Revision nur in rechtlicher Hinsicht überprüfbar. An die tatsächlichen Feststellungen und an die Würdigung des Sachverhalts des FG ist der BFH deshalb grundsätzlich gebunden[1], außer wenn die tatsächlichen Grundlagen nicht verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen sind und der BFH deshalb zur Nachholung erforderlicher Feststellungen nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zurückverweisen muss. § 123 Abs. 1 S. 1 FGO soll eine Änderung der Entscheidungsgrundlagen im Revisionsverfahren durch Klageänderung[2] oder durch eine Erweiterung der am erstinstanzlichen Verfahren Beteiligten[3] durch Beiladung verhindern, da dadurch regelmäßig weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich werden und die Sache schon aus diesem Grund an das FG zurückverwiesen werden müsste. Der Prozessstoff soll der revisionsrechtlichen Prüfung durch den BFH in der Gestalt unterbreitet werden, wie er sich nach der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Ergehen des Urteils des FG darstellt. Danach sollen die Entscheidungsgrundlagen nicht mehr geändert werden. Denn die Revision ist auf die Beschwer durch das FG-Urteil gerichtet, nicht auf die Beurteilung eines neuen Sachverhalts.

Klageänderungen und Erweiterungen des Klageantrags im Revisionsverfahren sind unzulässig, da das FG über den hinzugekommenen Teil noch keine Entscheidung getroffen hat und es somit für die Revision an der erforderlichen formellen Beschwer fehlt.[4] Über einen Antrag, der etwa erstmals im Revisionsverfahren gestellt wird, hat das FG noch nicht entschieden, sodass es an einem Gegenstand der revisionsrechtlichen Nachprüfung fehlt.[5] Aus diesem Grund sind auch Beiladungen im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässig, da die Einbeziehung weiterer Beteiligter in das Revisionsverfahren regelmäßig neue tatsächliche Feststellungen erfordert.

 

Rz. 2

Diese Grundsätze werden wie folgt durchbrochen:

  • Nach Abs. 1 S. 2 können vom FG nicht vorgenommene (häufig versehentlich nicht erkannte) notwendige Beiladungen[6] seit 2001 vom BFH nach pflichtgemäßem Ermessen aus prozessökonomischen Gründen (Vermeidung von Verzögerungen) im Revisionsverfahren noch nachgeholt werden, wenn sich der Sachverhalt nicht geändert hat bzw. keine weiteren Feststellungen erforderlich sind. Andernfalls müsste allein wegen der unterlassenen notwendigen Beiladung das FG-Urteil aufgehoben werden und die Sache zur Nachholung der notwendigen Beiladung durch das FG zurückverwiesen werden. Die einfache Beiladung[7] ist dagegen im Revisionsverfahren ausgeschlossen.[8]
  • Nach § 68 S. 1 FGO wird auch ein erst im Revisionsverfahren ergangener Änderungsbescheid automatisch, d. h. ohne besonderen Antrag, Gegenstand des (Revisions-)Verfahrens. Es handelt sich um einen Fall gesetzlicher Klageänderung; ein gesondertes Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Änderungsbescheid ist nicht erforderlich.[9] Die Interessen des Revisionsklägers sind dadurch geschützt, dass der BFH, wenn die Sache nicht spruchreif ist, den Fall zurückverweisen muss.[10]
  • Außerdem ist eine Erweiterung des Kreises der Verfahrensbeteiligten durch einen Verfahrensbeitritt des BMF bzw. der obersten Landesbehörde nach § 122 Abs. 2 FGO zugelassen.[11]

2 Klageänderung

 

Rz. 3

Klageänderung i. d. S. liegt vor, wenn der in der Revision gestellte Antrag einen anderen Streitgegenstand als den des Klageverfahrens betrifft.[1] Eine Änderung des Streitgegenstands liegt vor, wenn dem Revisionsantrag ein gegenüber dem FG-Verfahren anderer oder geänderter Sachverhalt zugrunde gelegt wird oder wenn der angefochtene oder begehrte Verwaltungsakt ausgewechselt wird.[2]

Keine (unzulässige) Klageänderung liegt vor,

  • wenn der Klageantrag umformuliert und präzisiert wird[3];
  • bei Einschränkung des ursprünglichen Klageantrags, z. B. wenn nach dem auf Steuerfestsetzung auf 3.000 EUR gestellten Klageantrag in der Revision die Festsetzung auf 2.000 EUR begehrt wird.[4] Es fehlt an einer Klageänderung, da der bisherige Streitgegenstand unverändert bleibt.
  • bei Erweiterung des zunächst gestellten – und damit grundsätzlich nur vorläufigen – Revisionsantrags (innerhalb des Klageantrags). Denn die Erweiterung des Revisionsantrags ist grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem BFH möglich, da die zunächst (z. B. in der Revisionsbegründungsschrift) gestellten Anträge nur vorläufigen Charakter haben. Eine Antragserweiterung kann – ausnahmsweise – unzulässig sein, wenn in der zunächst formulierten Beschränkung des Revisionsantrags ein eindeutiger Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des übrigen Streitgegenstands mit de...

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