Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Zuständigkeit der FG erstreckt sich ausschließlich auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Dadurch wird ihre Zuständigkeit zu derjenigen der ordentlichen Gerichte abgegrenzt. Die Abgrenzung erfolgt – abgesehen von ausdrücklich angeordneten Zuweisungen – danach, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder bürgerliche, also zivilrechtliche Streitigkeit handelt. Öffentlich-rechtlich ist eine Rechtsstreitigkeit dann, wenn sie sich als Folge eines Sachverhaltes darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist (Brandis in Tipke/Kruse, § 33 FGO Rz. 5 ff.; Kopp/Schenke, § 40 VwGO Rz. 6). Öffentliches Recht ist gegeben, wenn der Sachverhalt – die Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags unterstellt – einem Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben unterliegt (sog. modifizierte Subjektstheorie; Kopp/Schenke, § 40 VwGO Rz. 11 auch zu den übrigen Abgrenzungstheorien). Der Streit über einen Antrag der Finanzbehörde an das Insolvenzgericht, das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Vollstreckungsschuldners zu eröffnen, ist daher als öffentlich-rechtlich zu beurteilen, da die Behörde sich auf §§ 249ff., 251 Abs. 2 Satz 1 AO stützt; hierfür ist der Finanzrechtsweg (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) gegeben (z. B. FG Münster v. 15.03.2000, 12 V 1054/00 AO, EFG 2000, 634; FG Ha v. 14.04.2003, VI 136/03, juris; FG Köln v. 09.11.2004, 15 K 4934/04, EFG 2005, 298; FG SAnh v. 24.09.2015, 3 V 916/15, EFG 2015, 2194). Gleiches gilt für den Streit zwischen einem Pfändungsgläubiger und einem Träger öffentlicher Gewalt, wenn der gepfändete Anspruch öffentlich-rechtlich ist (z. B. ein Steuererstattungsanspruch; z. B. BFH v. 14.07.1987, VII R 116/86, BStBl II 1987, 863). Für Klagen auf Erteilung einer Lohnsteuerbescheinigung und auf zutreffende Eintragungen von Daten in der Lohnsteuerbescheinigung oder auf Berichtigung unrichtiger Eintragungen in der LSt-Bescheinigung (§ 41b EStG) ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG), nicht aber der Finanzrechtsweg gegeben (BFH v. 29.06.1993, VI B 108/92, BStBl II 1993, 760; BFH v. 04.09.2008, VI B 108/07, BFH/NV 2009, 175 m. Anm. Bartone, juris PR-SteuerR 6/2009; gl. A. Braun in HHSp, § 33 FGO Rz. 35; a. A. BAG v. 11.06.2003, 5 AZB 1/03, NJW 2003, 2629 m. w. N. zur Abgrenzung von Arbeitsrechtsweg und Finanzrechtsweg; BAG v. 07.05.2013, 10 AZB 8/13, DStR 2013, 1345; a. A. auch für die Klage eines Beamten gegen seines Dienstherrn auf Berichtigung der LSt-Bescheinigung VG München v. 08.11.2005, M 12 K 04, 3677, BayVBl 2006, 545: Finanzrechtsweg). Für eine Klage auf Freigabe einer Bürgschaft, die mit einer Zollbehörde vereinbart wurde, um die Überlassung oder die Aufhebung der Zurückhaltung von Waren zu erwirken, ist der ordentliche Rechtsweg (§ 13 GVG) gegeben (BFH v. 18.11.2003, VII R 2877/03, BFH/NV 2004, 288). Für die Einziehung einer vom FA/HZA gem. §§ 309, 314 AO gepfändeten bürgerlich-rechtlichen Forderung ist der Zivilrechtsweg (§ 13 GVG) eröffnet. Zahlt der Drittschuldner einen den Anspruch des Vollstreckungsschuldners übersteigenden Betrag, erlangt das FA/HZA also mehr, als es aufgrund seines Pfändungspfandrechts beanspruchen darf, so entsteht ein Bereicherungsanspruch des Drittschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (BGH v. 13.06.2002, IX ZR 242/01, BGHZ 151, 127). Dieser ist vom Drittschuldner gegen das Land, dessen FA gehandelt hat, bzw. gegen den Bund auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen (Braun in HHSp, § 33 FGO Rz. 158; vgl. BFH v. 11.12.2012, VII R 13/12, BFH/NV 2013, 897 m. Anm. Bartone, jurisPR-SteuerR 13/2014).

Eine Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte enthält § 262 AO für Drittwiderspruchsklagen (§ 771 ZPO; s. § 262 AO Rz. 14), ebenso Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG und Art. 34 Satz 3 GG für Amtshaftungsklagen (§ 839 BGB; z. B. FG BW v. 22.06.2009, 4 K 2089/09, EFG 2009, 1582). Daher ist der Finanzrechtsweg für die Geltendmachung eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht eröffnet (BFH v. 08.04.1987, VII B 142/86, BFH/NV 1988, 94). Für Schadenersatzansprüche, die auf sonstige zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen gestützt werden, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (FG BB v. 01.06.2010, 12 K 12053/10, EFG 2010, 1625). Nach der Rspr. des BGH folgt aus dem Wesen der Ehe für beide Ehegatten die – aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB abzuleitende – Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Ein Ehegatte ist daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem gewünschte Zusammenveranlagung zur ESt einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert, der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird (st. Rspr., z. B. BGH v. 18.11.2009, XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879). Für die Durchsetzung dieses familienrechtlichen Anspruchs...

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