rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzantrag durch das Finanzamt bei erfolgloser Vollstreckung von Steuerschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Insolvenzantragstellung durch die Finanzbehörden ist kein Verwaltungsakt, sondern eine reine Verfahrenshandlung, gegen die dem Betroffenen eine Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags vor dem Finanzgericht zusteht.

2) Das Finanzamt darf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO annehmen, wenn keine Zahlungen des Steuerschuldners über einen Zeitraum von einem dreiviertel Jahr zu verzeichnen sind und mehrere Versuche einer Sach- und Forderungspfändung fruchtlos gewesen sind.

3) Weitere Voraussetzung für die Stellung des Insolvenzantrages ist, dass die zugrunde liegenden Steuerbescheide vollziehbar sind.

4) Höhe der rückständigen Steuerschulden und die wirtschaftlichen Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

5) Vor der Antragstellung bedarf es keiner Anhörung des betroffenen Steuerpflichtigen, weil es nur um die Einleitung eines eigenständigen Insolvenzverfahrens geht, innerhalb dessen dem Schuldner Gehör zu gewähren ist.

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des vom Beklagten am 02.09.2004 beim Amtsgericht L gegen die Klägerin gestellten Insolvenzeröffnungsantrages (Az. dort: …).

Die Klägerin hat unstreitig Steuerrückstände gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen. Ausweislich der Vollstreckungsakten des Beklagten beliefen sich diese zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags auf 261.780,28 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer sowie Umsatzsteuervorauszahlungen, jeweils zuzüglich Verspätungszuschlägen in Höhe von 244.414,75 EUR, sowie aus Säumniszuschlägen in Höhe von 17.365,53 EUR zusammen. Den geschuldeten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und den Lohnsteuerfestsetzungen liegen weitaus überwiegend Lohnsteuer-Anmeldungen bzw. Umsatzsteuervoranmeldungen der Klägerin sowie für wenige Monate Schätzungsbescheide des Beklagten (für Januar, Februar, April und Mai 2003) zugrunde. Nachdem dieser den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, hat die Klägerin Lohnsteueranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2003 abgegeben, durch die sich die Rückstände um rund 10.000 EUR ermäßigen.

Das von dem Beklagten vor Stellung des Insolvenzantrags betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren verlief erfolglos. Beitreibungsversuche durch den Vollziehungsbeamten des Beklagten am 09.07.2003, 08.09.2003 und 04.03.2004 waren fruchtlos. Gegenüber Kreditinstituten (…) ausgebrachte Forderungspfändungen verliefen erfolglos. Weder – von der Klägerin selbst angebotene – Ratenzahlungen noch die laufend neu fällig werdenden Steuern wurden entrichtet, wodurch sich die rückständigen Steuerverbindlichkeiten kontinuierlich erhöhten. Der Beklagte lehnte Anträge auf Stundung bzw. Vollstreckungsaufschub gegen monatliche Ratenzahlung zuletzt mit Schreiben vom Tag der Stellung des Insolvenzantrags, dem 02.09.2004, im Hinblick auf den Mangel einer stichhaltigen Begründung und einer Zahlungsperspektive sowie die bisherige Entwicklung ab. Der letzte Zahlungseingang bei dem Beklagten datiert vom 15.12.2003.

Der Insolvenzantrag wurde vom Beklagten mit dem Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit begründet, wobei er auf die ergebnislosen Vollstreckungsversuche sowie auf die Entwicklung der rückständigen Steuerschuld verwies.

Der Beklagten informierte die Klägerin am 14.09.2004 über die Stellung des Insolvenzantrages, nachdem er dies bei einem Telefonat mit dem damaligen Steuerberater der Klägerin am 9.9.2004 unerwähnt gelassen hatte. Das Empfangsbekenntnis des AG L über den Zugang des Insolvenzantrages am 8.8.2004 ist beim Beklagten ausweislich des Posteingangsstempels am 9.9.2004 eingegangen.

Mit Schriftsatz vom 21.9.2004 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, die Stellung des Insolvenzantrages sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig.

Der Antrag habe gemäß Tz 2.2 des BMF-Schreibens IV A- S 0550 – 28/98 vom 17.12.1998, BStBl 1998 I, 1500, nur mit Zustimmung der zuständigen OFD gestellt werden dürfen. Eine derartige Zustimmung, die als Selbstbeschränkung zur Vermeidung missbräuchlichen Handelns anzusehen sei, liege nicht vor. Selbst wenn diese Weisung nunmehr vom Wortlaut her aufgehoben sei, sei deren Sinn und Zweck nicht bedeutungslos.

Ferner habe der Beklagte den Eröffnungsantrag ermessensfehlerhaft gestellt. Der Antrag lasse weder erkennen, dass ein Ermessen ausgeübt worden sei, noch, dass der Sachverhalt ermittelt worden sei. Damit sei das Begründungserfordernis des § 5 AO verletzt.

Außerdem hätte bei der Ausübung des Entschließungsermessens berücksichtigt werden müssen, dass die bestehenden Steuerrückstände dem Grunde und der Höhe nach nicht unstreitig seien. Zum einen seien rechtzeitig abgegebene Erklärungen nicht rechtzeitig bearbeitet und statt desse...

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