Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In den unter Rz. 3 bis 13 genannten Fällen steht dem Dritten zur Wahrung seiner Rechte die Drittwiderspruchsklage offen (§§ 262 Abs. 1 Satz 1, 771 ZPO). Mit der Klage verfolgt der Dritte das Ziel, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung feststellen zu lassen oder die Einstellung der Verwertung oder Vollstreckung. Die Klage ist beim ordentlichen Gericht zu erheben. Zuständig ist ausschließlich dasjenige Gericht, in dessen Bezirk die Vollstreckung erfolgt (§ 262 Abs. 3 Satz 1 AO). Beklagter ist die Körperschaft, der die Vollstreckungsbehörde angehört (s. § 252 AO). Der Dritte kann gleichzeitig gegen den Vollstreckungsschuldner klagen, etwa mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckungssache herauszugeben. Tut er dies, so sind beide Beklagte einfache Streitgenossen (§ 262 Abs. 3 Satz 2 AO, §§ 59ff. ZPO).

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Da die Vollstreckung durch die Erhebung der Drittwiderspruchsklage nicht gehemmt ist, verweist § 262 Abs. 2 AO auf §§ 769 und 770 ZPO.

§ 769 ZPO Einstweilige Anordnungen

(1) Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen.

(2) In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt.

(3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss.

(4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

§ 770 ZPO Einstweilige Anordnungen im Urteil

Das Prozessgericht kann in dem Urteil, durch das über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen bezeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. Für die Anfechtung einer solchen Entscheidung gelten die Vorschriften des § 718 entsprechend.

Nach diesen Vorschriften hat das Gericht die Möglichkeit im Beschlussverfahren vor dem Urteil (§ 769 ZPO) oder im Urteil selbst (§ 770 ZPO), durch einstweilige Anordnungen die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung anzuordnen. Eine einstweilige Anordnung auf der Rechtsgrundlage des § 114 FGO ist dem Gericht nicht möglich. Für die Sicherheiten gelten die §§ 108ff. ZPO, nicht die steuerrechtlichen Vorschriften in §§ 241ff. AO. Wird die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen angeordnet, ist stets Sicherheitsleistung zu verlangen, da eine dem § 771 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechende Regelung in § 262 Abs. 2 AO fehlt (Müller-Eiselt in HHSp, § 262 AO Rz. 54).

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Generell kann Drittwiderspruchsklage nach Beendigung der Zwangsvollstreckung nicht mehr erhoben werden. In diesem Fall ist der Dritte darauf beschränkt, dass FA auf Herausgabe des Erlöses wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu verklagen. Ein solcher Anspruch besteht im Umfang des Nettoerlöses, d. h. des Erlöses nach Abzug der Pfändungs- und Verwertungskosten. Bei schuldhaftem Handeln des FA (Amtspflichtverletzung) kann u. U. auch auf Schadenersatz nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG geklagt werden (BGH v. 28.04.1960, III ZR 22/59, BStBl I 1960, 626; Loose in Tipke/Kruse, § 262 AO Rz. 27).

 

Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Selbstverständlich kann und soll (§ 93 ZPO) der Dritte die vorstehenden Rechte zunächst beim vollstreckenden FA reklamieren. Da es sich bei den Streitigkeiten aber nicht um Abgabenangelegenheiten i. S. von §§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO handelt, ist er gehindert die Rechte im Einspruchsverfahren gegenüber dem FA oder im Finanzrechtsweg bei den FG geltend zu machen. Andererseits ist es aus diesem Grund der Finanzbehörde untersagt, in einem steuerrechtlichen Auskunftsverfahren hoheitlich den Wahrheitsgehalt der Einwendungen des Dritten – etwa durch seine eidliche Vernehmung – zu erforschen (BFH v. 28.03.1979, I B 79/78, BStBl II 1979, 538; dagegen Carl, DStZ 1984, 455). Gibt die Vollstreckungsstelle den Einwendungen des Dritten nicht statt, soll sie auf die Möglichkeit der Klage vor den ordentlichen Gerichten hinweisen (Abschn. 13 Abs. 1 VollstrA).

 

Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unberührt davon bleibt das Recht des Dritten gegen die Art und Weise der Vollstreckung Einspruch beim FA und Klage beim FG einzulegen, sofern die jeweils betroffene Vorschrift, die der Dritte rügt, auch drittschützende Wirkung hat, d. h. – zumindest auch – den Zweck hat, die Sphäre des Dritten zu schützen (Müller-Eiselt in HHSp, § 262 AO Rz. 58).

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