rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Zivilgerichts bei Schadenersatzklage gegen das Finanzamt. keine Bindungswirkung der Verweisung vom Zivilgericht an das Finanzgericht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für Schadensersatzklagen wegen rechtswidriger Handlungen von Finanzbehörden ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der von Verfassungs wegen garantierte Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

2. Die Verweisung des Rechtsstreits über eine Schadensersatzklage gegen das Finanzamt vom Zivilgericht an das Finanzgericht entfaltet keine Bindungswirkung, da sie den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 2 Sätze 2-3; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 76; VwGO § 40 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 34 S. 3

 

Tenor

1) Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist unzulässig.

2) Der Rechtsstreit wird an das Landgericht X verwiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2009 erhob der Kläger (Kl) Klage gegen das Land Baden-Württemberg, mit der er dessen Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz begehrt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, eine vom Finanzamt A.. vorgenommene Pfändung seines Kontos bei der …bank in B. sei rechtswidrig gewesen, da das gepfändete Geld nicht schnell genug freigegeben worden sei, nachdem er nachgewiesen gehabt habe, dass es sich um Fremdgeld handle. Dieses rechtswidrige Handeln des Finanzamts sei ursächlich dafür gewesen, dass die …zeitung, für die er als Anzeigenwerber tätig sei, die bisher gewährte Benzinkostenpauschale nicht mehr zahle. Mit der vorliegenden Klage macht der Kl nunmehr den Betrag der ihm nicht mehr gewährten Benzinkostenpauschale – abzüglich der Kfz-Steuer, die er dem Finanzamt A. noch schulde – als Schadensersatz geltend und kündigt für die mündliche Verhandlung folgende Anträge an:

1) Der Beklagte (Bekl) wird verurteilt, an den Kl EUR 368,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 64,00 vom 23.11.2008 bis 30.11.2008 sowie aus EUR 368,00 vom 01.12.2008 bis 30.12.2008 zu bezahlen.

2) Der Bekl wird verurteilt, an den Kl zum 30. eines jeden Monats ab 30.01.2009 EUR 304,00 zu bezahlen.

3) Der Bekl trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4) Sofern das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, wird für den Fall des Fristversäumnisses bzw. für den Fall des Anerkenntnisses der Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO bzw. der Erlass eines Anerkenntnisurteils nach § 307 Abs. 2 ZPO beantragt.

5) Dem Kl wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Prozesskostenhilfe bewilligt.

Nach Gewährung rechtlichen Gehörs mit Verfügung vom 22. Januar 2009 erklärte das Amtsgericht X mit Beschluss vom 23. März 2009 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das „Finanzgericht Stuttgart” (zutreffend: Finanzgericht Baden-Württemberg). Zur Begründung führte das Amtsgericht X aus, der Kl mache Ansprüche gegenüber dem Finanzamt A. im Zusammenhang mit der Streichung einer Benzinpauschale geltend. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben.

Mit Verfügung vom 28. Mai 2009 teilte der Berichterstatter den Beteiligten mit, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 23. März 2009 erfolgte Verweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht Baden-Württemberg nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats in einem solch gewichtigten Maße gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen dürfte, dass die grundsätzliche Bindungswirkung der Verweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) im Streitfall mutmaßlich nicht bestehe und deshalb eine Weiterverweisung an das zuständige Landgericht X in Betracht komme. Zugleich wurde den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Weiterverweisung bis zum 19. Juni 2009 gegeben. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2009 teilte der Bekl mit, er habe keine Bedenken gegen die mit Verfügung des Berichterstatters vom 28. Mai 2009 avisierte Verfahrensweise. Zugleich wies der Bekl darauf hin, dass im Falle der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen behaupteter Amtspflichtverletzung durch Finanzbeamte des Landes nach der gemeinsamen Bekanntmachung der Ministerien über die Vertretung des Landes in gerichtlichen Verfahren vom 7. April 1997 (GBl vom 30. April 1997, S. 150 ff) die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, diese vertreten durch die Oberfinanzpräsidentin, Moltkestr. 50, 76133 Karlsruhe, passiv legititmiert sei. Seitens des Kl wurde innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme eingereicht.

 

Entscheidungsgründe

II.

1) Der Finanzrechtsweg ist unzulässig.

Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur dann gegeben, wenn den Gegenstand des Rechtsstreits eine Abgabenangelegenheit bildet. Abgabenangelegenheiten sind gemäß § 33 Abs. 2 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschrifte...

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