Neben der nationalen Definition des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes (vgl. §§ 8, 9 AO) zur Bestimmung der Einkommensteuerpflicht ist bei internationalen Sachverhalten bzw. in Fällen einer möglichen Doppelbesteuerung der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit maßgebend. Die Ansässigkeit regelt, ob eine natürliche Person unter die Regelungen des OECD-Musterabkommens bzw. der entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen fällt (vgl. Art. 1 Nr. 1 OECD-MA) und diese Abkommen grundsätzlich Anwendung finden. Neben dieser Regelung dient die Bestimmung der Ansässigkeit in den weiteren Artikeln des OECD-MA der Zuordnung der Einkünfte zu einem Vertragsstaat und somit der Abgrenzung der Besteuerungsrechte.

Die in Art. 4 Abs. 1 des OECD-MA festgelegte Definition der Ansässigkeit stellt wie auch im nationalen Recht bei natürlichen Personen auf den Wohnsitz oder den ständigen Aufenthalt ab. Die Ansässigkeit im abkommensrechtlichen Sinne setzt somit die unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund ortsbezogener Anknüpfungspunkte voraus (vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, MA Art. 4 Rz. 2 [Okt. 2020]). Der Begriff des Wohnsitzes muss dabei an das innerstaatliche Recht des Wohnsitzstaates anknüpfen, da nur so die unbeschränkte Steuerpflicht nach dessen Recht beurteilt werden kann (vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, MA Art. 4 Rz. 31 [Okt. 2020]). Dies ergibt sich bereits aus dem Verweis des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Begriffsbestimmungen des nationalen Rechts. Folglich ist der Wohnsitzbegriff des § 8 AO zugrunde zu legen.

Der Begriff "ständiger Aufenthalt" weicht grundsätzlich vom innerstaatlichen Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" ab. Im Art. 4 Abs. 1 OECD-MA wird der Begriff des ständigen Aufenthalts verwendet, während im Abs. 2 Buchst. b und c vom gewöhnlichen Aufenthalt die Rede ist. Die Unterscheidung der beiden Begriffe im Art. 4 OECD-MA macht durchaus Sinn, da die beiden Absätze unterschiedliche Anwendungsfälle regeln. Während der Abs. 1 Bezug auf das innerstaatliche Recht des Wohnsitzstaates nimmt, macht es sich der Abs. 2 zur Aufgabe, die vorrangige Ansässigkeit zu bestimmen, wenn nach Abs. 1 beide Vertragsstaaten Ansässigkeitsstaaten sind. Der Ausdruck "ständiger Aufenthalt" muss sich an dem nationalen Recht des potentiellen Wohnsitzstaates orientieren. Auch wenn dieser Staat den Ausdruck gar nicht kennt, ist in diesem Fall auf den Ausdruck zurückzugreifen, der nach nationalem Recht dem Begriff des ständigen Aufenthalts am nächsten kommt (vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, MA Art. 4 Rz. 35 [Okt. 2020]). Somit ist auch hier trotz der geringfügigen sprachlichen Abweichung der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" nach § 9 AO zugrunde zu legen.

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