Rz. 189

[Autor/Stand] Grundbesitzwerte waren nach § 138 Abs. 5 BewG i.d.F. des JStG 1997[2] für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer ab dem 1.1.1996 und für Zwecke der Grunderwerbsteuer ab dem 1.1.1997 gesondert festzustellen, wenn sie für diese Steuern erforderlich sind. Mit dieser Regelung wurde die so genannte Bedarfsbewertung eingeführt. Für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 ist eine Bedarfsbewertung auch durchzuführen, wenn die Werte für eine andere Feststellung i.S.d. § 151 BewG von Bedeutung sind. Daran hat sich auch durch § 157 BewG für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 nichts geändert. Der Gedanke, eine Wertfeststellung nur dann durchzuführen, wenn dies im Bedarfsfall von steuerlicher Bedeutung ist, ist somit fortgeführt worden. Durch die Bedarfsbewertung soll ein erheblicher Verwaltungsaufwand vermieden wird, der durch eine sonst erforderlich gewordene allgemeine neue Bewertung aller rd. 36 Millionen wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens entstanden wäre. Für Zwecke der Grundsteuer ist jedoch nunmehr eine neue Bemessungsgrundlage aller wirtschaftlichen Einheiten nach verfassungsrechtlicher Vorgabe bis zum 31.12.2024 erforderlich. Der Gesetzgeber nutzt diese Gelegenheit nicht, um eine Bemessungsgrundlage zu schaffen, die auch für andere steuerliche Zwecke genutzt werden kann.

 

Rz. 190– 198

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

 

Rz. 199

[Autor/Stand] Obwohl der Grund für die Bedarfsbewertung der Vereinfachungsgedanke war, der in sich schlüssig erscheint, bleibt festzuhalten, dass die Finanzverwaltung seit fast 17 Jahren eine Doppelbewertung für Zwecke der Grundsteuer einerseits und für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer beziehungsweise der Grunderwerbsteuer andererseits durchzuführen hat. Die Vorstellung, eine Reform der Grundsteuer bei einer anderen Gelegenheit zu realisieren, ist erst mit verfassungsrechtlichem Druck – im Ergebnis erst nach rd. 60 Jahren – gelungen.

 

Rz. 200

[Autor/Stand] Dennoch wäre es unter Vereinfachungsgesichtspunkten wünschenswert gewesen, eine neue einheitliche Bewertung für mehrere Steuerarten zu realisieren. Dieser Gedanke ist mit dem ErbStRG[6] nicht verwirklicht worden. Denn die durch das Erbschaftsteuerreformgesetz realisierte Ergänzung des Bewertungsgesetzes um den Sechsten Abschnitt ist die Bewertung von Grundbesitz lediglich für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer neu geregelt worden. Dies entspricht bei enger Auslegung auch dem Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006[7], weil insoweit ausschließlich die Erbschaft-/Schenkungsteuer betroffen war. Somit waren die Regelungen zur Bewertung des Grundbesitzes nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 zunächst nicht für Zwecke der Grunderwerbsteuer maßgebend. Allerdings war diese Entscheidung des Gesetzgebers mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. Rz. 47 bis 48).

 

Rz. 201

[Autor/Stand] Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass in Deutschland – zwischenzeitlich – vier verschiedene Bewertungsverfahren gelten:

  • Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer nach dem Sechsten Abschnitt des Bewertungsgesetzes mit dem gemeinen Wert
  • Bedarfsbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer nach dem Vierten Abschnitt des Bewertungsgesetzes mit einem typisierten Wert; dies war jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. Rz. 47 bis 48)
  • Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer nach den Wertverhältnissen des 1.1.1964 für Grundbesitz in den alten Ländern
  • Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer nach den Wertverhältnissen des 1.1.1935 für Grundbesitz in den neuen Ländern

Wenn die Vielzahl Bewertungsverfahren unter dem Blickwinkel des Vereinfachungsgedankens zugunsten einer "Bedarfs"-Bewertung nicht nur überzeugend erschien, ist damit zu rechnen, dass die Unterschiedlichkeit der Bewertungsmethoden künftig weiter zunehmen wird. Denn das Grundsteuer-Reformgesetz[9] geht mit einer Länderöffnungsklausel einher, so dass jedes Bundesland für sich entscheiden kann, nach welcher Bewertungsmethode oder Bemessungsgrundlage es ab dem 1.1.2025 die Grundsteuer erheben will.

 

Rz. 202

[Autor/Stand] Insoweit erscheint der Vereinfachungsgedanke einer Bedarfsbewertung nicht so recht überzeugend. Der Verwaltungsaufwand, der an sich vermieden werden sollte, dürfte sich in das Gegenteil verkehrt haben. Zwar ist die allseits insbesondere wegen des Personalaufwands befürchtete "Hauptfeststellung" aller rd. 36 Millionen wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens aufgeschoben worden. Allerdings muss seit 1996 für jedes Bewertungsverfahren der vollständige Verwaltungsapparat aufrechterhalten werden. Dazu gehört neben der Pflege der Programme auch ein aktuelles System an Erklärungsvordrucken zur Feststellungserklärung sowie die laufende Schulung der Bearbeiter in den Finanzämtern.

 

Rz. 203

[Autor/Stand] Eine engagiert durchgeführte neue Bewertung aller Grundstücke hätte die verfassungsrechtlichen Zweifel beseitigen sowie zu erheblichen Synergieeffekten führen können. Sofern f...

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