Rz. 5

[Autor/Stand] Als Erwerb gilt nur ein positiver Erwerb. Jede aus einem steuerpflichtigen Vorgang resultierende Bereicherung bildet einen steuerpflichtigen Erwerb. Alle aus demselben steuerpflichtigen Vorgang stammenden, zeitgleich[2] an den Erwerber gelangenden Erwerbe gelten als ein steuerpflichtiger Erwerb bzw. einzelner Steuerfall (so § 22 ErbStG)[3], sog. Gesamterwerb[4]. Die Steuersatztabelle des § 19 Abs. 1 ErbStG enthält somit auch einen sog. Vollmengenstaffeltarif, der den gesamten steuerpflichtigen Erwerb in vollem Umfang mit dem seiner Wertstufe als Obergrenze entsprechenden Steuersatz erfasst (s. § 19 ErbStG Rz. 1).

 

Rz. 6

[Autor/Stand] Negative Erwerbe bleiben unberücksichtigt (s. auch § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, s.a. § 14 ErbStG Rz. 79 ff.), es sei denn Vermögensgegenstände mit negativem Wert und solche mit positivem Steuerwert werden durch einheitlichen Schenkungsvertrag zugewendet. Die Werte sind dann auszugleichen.[6] Steht einem Alleinerben auch ein Vorausvermächtnis zu, darf ein positiver Erwerb aus dem Vermächtnis bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer nicht mit einem negativen Erwerb aus dem Erbanfall saldiert werden.[7]

 
Hinweis

Es empfiehlt sich im Einzelfall, solche Zuwendungen zu einem einzigen steuerpflichtigen Erwerb zusammenzufassen, weil ansonsten das Verrechnungspotential einer negativen Zuwendung verloren geht[8] (s.a. § 14 ErbStG Rz. 81).

 

Beispiel:

Ist jemand zugleich Erbe oder Vermächtnisnehmer und zugleich Begünstigter aus einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (Lebensversicherung, § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), so liegt ein steuerpflichtiger Erwerb vor. Ist jedoch die Entstehung des Vermächtnisanspruchs aufschiebend bedingt, so ist wegen des unterschiedlichen Erwerbszeitpunkts (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG) von zwei steuerpflichtigen Erwerben auszugehen. Lediglich die Zusammenfassung beider Erwerbe in einem einheitlichen Steuerbescheid ist dann möglich[9], wobei jedoch der Steuerbescheid inhaltlich genau zwischen beiden Erwerben differenzieren muss.[10]

Schenken Eltern ihrem Kind jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil zeitgleich, so liegen zwei steuerpflichtige Erwerbe vor.

Kommt dem Nachlass und damit der Summe der durch den Tod eingetretenen Erwerbe (durch Erben, Vermächtnisnehmer, Auflagenbegünstigte) nach den Bewertungsmaßstäben ein negativer Ansatz zu, so steht dem der Ansatz eines positiven Erwerbs eines der Beteiligten (z.B. Vermächtnisnehmer) nicht entgegen, weil Besteuerungsgrundlage jeweils nur der Vermögensanfall an den einzelnen Erwerber, nicht aber ein bestimmter Prozentsatz des gesamten Nachlasses ist.[11]

[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.11.2023
[3] S. auch R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2019.
[4] S.a. Fumi in von Oertzen/Loose2, § 10 ErbStG Rz. 6; Stein in von Oertzen/Loose2, § 19 ErbStG Rz. 6 ff., BFH v. 20.2.2019 – II B 83/18, BFH/NV 2019, 564.
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.11.2023
[6] S. BFH v. 18.3.1981 – II R 11/79, BStBl. II 1981, 532; R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2019.
[7] FG Münster v. 18.5.2017 – 3 K 961/15, EFG 2017, 1181 ff. = ErbStB 2017, 232. Das FG hatte die Revision zugelassen. Sie wurde jedoch vom BFH wegen Versäumens der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verworfen (BFH v. 19.3.2019 – II R 29/17). Krit. gegen das Saldierungsverbot nach § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG Karami/Karami, DStR 2018, 998.
[8] S. Meincke/Hannes/Holtz18, § 14 ErbStG Rz. 26.

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