Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung der Schenkung unter Leistungs- und Duldungsauflagen

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Auflagenschenkung sind diejenigen Auflagen, die dem Beschenkten Aufwendungen i.S. von Geld- und Sachleistungen verursachen (z.B. wiederkehrende Bezüge an den Schenker; Gleichstellungsgelder an die Geschwister des Beschenkten), wie Gegenleistungen im Rahmen einer gemischten Schenkung zu behandeln (Anschluß an Senatsurteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524). Bei der gemischten Schenkung ist nur der die Gegenleistung des Bedachten übersteigende Wert der (gemischten) freigebigen Zuwendung schenkungsteuerrechtlich relevant (Senatsurteil in BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83).

2. Die verfahrensrechtlich zulässige Erfassung mehrerer Schenkungen zwischen denselben Vertragspartnern in einem Schenkungsteuerbescheid ändert nichts daran, daß es sich materiell-rechtlich um verschiedene und daher jeweils für sich zu beurteilende - selbständige - Erwerbe handelt.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1 Sätze 1-2; BGB § 525 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Vater des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrug zum 1. Januar 1983 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sein Einzelunternehmen auf den Kläger. Darüber hinaus übertrug der Vater dem Kläger mit notarieller Urkunde vom 29. Dezember 1984 das Betriebsgrundstück X-Str. sowie das Wohnhaus X-Str. Im Gegenzug bestellte der Kläger in der genannten Urkunde seinen Eltern ein lebenslängliches Wohnrecht und verpflichtete sich, den Eltern und nach dem Tode eines Elternteils dem überlebenden Elternteil bis zu dessen Tode monatlich 1000 DM zu zahlen. In bezug auf die Zahlungsverpflichtung wurden eine Wertsicherungsklausel, die Abänderbarkeit nach § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sowie die Sicherung durch eine Reallast vorgesehen. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger, an seine drei Geschwister zu deren Gleichstellung Ausgleichszahlungen in Höhe von . . . DM zu leisten, die zinslos in zehn gleichen Jahresraten erbracht werden sollten. Bereits zuvor - in den Jahren 1983 und 1984 - hatte der Kläger an seine Geschwister Ausgleichszahlungen von zusammen . . . DM geleistet.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 1985 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Dabei wertete das FA die Übertragungsvorgänge vom 1. Januar 1983 und vom 29. Dezember 1984 als einen Erwerb und spaltete die so als Einheit aufgefaßten Übertragungsvorgänge - wie bei einer gemischten Schenkung - in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil auf.

Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit der Klage geltend, die im Streitfall vorliegende Schenkung unter Auflage könne entgegen der Ansicht des FA nicht wie eine gemischte Schenkung behandelt werden. Überdies erhob er Einwendungen gegen die Höhe der vom FA angesetzten Grundstückswerte.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es ging davon aus, im Streitfall liege eine Schenkung unter Auflage vor. Anders als bei der gemischten Schenkung habe bei der Auflagenschenkung eine Zerlegung des Übertragungsvorganges in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu unterbleiben. Die Bereicherung sei im Streitfall vielmehr nach § 10 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) 1974 zu ermitteln (vgl. insbesondere § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG 1974).

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 i.d.F. des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537 - im folgenden § 25 ErbStG 1974 n.F. -) sei der Erwerb ohne Berücksichtigung der Belastungen mit dem Wohnrecht und den wiederkehrenden Leistungen an den Schenker und dessen Ehefrau zu besteuern. Über die Stundung der Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfalle (§ 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 n.F.), habe das FA durch einen besonderen Verwaltungsakt zu entscheiden. Darüber sei im vorliegenden (Anfechtungs-)Klageverfahren nicht zu befinden.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Zutreffend ist das FG in Übereinstim-mung mit den Beteiligten zunächst davon ausgegangen, daß die in Rede stehenden Übertragungsvorgänge als Schenkungen unter Auflage (vgl. § 525 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) zu qualifizieren sind.

b) Zu Unrecht hat das FG jedoch diejenigen Auflagen, die dem Kläger Aufwendungen im Sinne von Geld- und Sachleistungen verursachten, nicht wie Gegenleistungen im Rahmen einer gemischten Schenkung behandelt. Damit steht die Vorentscheidung im Widerspruch zu dem nach deren Erlaß veröffentlichten Urteil des erkennenden Senats vom 12. April 1989 II R 37/87 (BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524). Dort hat der Senat ausgeführt, ,,soweit dem Bedachten Aufwendungen auferlegt sind, er also zu Leistungen verpflichtet ist, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Gegenstandes . . . auch aus seinem persönlichen Vermögen erbringen kann oder soweit er den Zuwendungen von diesem obliegenden Leistungspflichten (zumindest im Innenverhältnis) zu befreien hat, können diese Aufwendungen in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht nicht anders gewürdigt werden als diejenigen Leistungen, die im Rahmen einer gemischten freigebigen Zuwendung vom Empfänger geschuldet werden". Zur gemischten freigebigen Zuwendung hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß nur der die Gegenleistung des Bedachten übersteigende Wert der (gemischten) freigebigen Zuwendung schenkungsteuerrechtlich relevant ist. ,,Denn indem § 7 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1974 bestimmt, als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr.2 ErbStG 1974) gelte jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, beschränkt sich der steuerbegründende Tatbestand auf die Erfassung des (unselbständigen) freigebigen Teils der gemischten freigebigen Zuwendung" (Urteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524, 526, linke Spalte; grundlegend: Senatsurteil vom 21. Oktober 1981 II R 176/78, BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83; vgl. ferner auch Senatsurteil vom 14. Juli 1982 II R 125/79, BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714).

Ein anderes gilt jedoch nach dem Senatsurteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524, 526 bei der freigebigen Zuwendung (Schenkung) unter Auflage in bezug auf die der Zuwendungsvereinbarung beigefügten Nebenabreden, die dem Bedachten keine Aufwendungen im oben beschriebenen Sinne auferlegen, sondern ihn verpflichten, dem Zuwendenden oder einem Dritten ein dingliches Nutzungsrecht (Nießbrauch, §§ 1030 ff. BGB), einebeschränkt persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB, insbesondere ein Wohnrecht) oder ein obligatorisches Nutzungsrecht an dem Zuwendungsgegenstand einzuräumen; denn solchenfalls bewirken die Nebenabreden lediglich ein (zeitlich begrenztes) Hinaus- schieben des mit der Übertragung des Zuwendungsgegenstandes grundsätzlich verbundenen vollen Nutzungsrechts.

c) An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Die angefochtene Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat es - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - unterlassen, das Ausmaß der Bereicherungen des Klägers i.S. des § 7 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1974 festzustellen. Dabei sind die Bereicherungen aus den beiden Erwerben des Klägers (1. Übertragung des Betriebes zum 1. Januar 1983; 2. Übertragung der beiden Grundstücke aufgrund notarieller Urkunde vom 29. Dezember 1984) getrennt zu ermitteln. Denn die verfahrensrechtliche Möglichkeit, mehrere Erwerbe in einem Steuerbescheid zusammenzufassen (vgl. z.B. das Senatsurteil vom 20. Februar 1980 II R 90/77, BFHE 130, 176, BStBl II 1980, 414) ändert nichts an der Tatsache, daß es sich entgegen der offenbar vom FG vertretenen Auffassung materiell-rechtlich um verschiedene und daher jeweils für sich zu beurteilende - selbständige - Erwerbe handelt (vgl. § 9 Abs. 1 Nr.2 ErbStG 1974). Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Steuerberechnungsvorschrift des § 14 ErbStG 1974 (vgl. z.B. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 14 Rdnr.5).

Die Steuerwerte der freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1974 wird das FG - für jeden Erwerb gesondert - dergestalt zu berechnen haben, daß es den Steuerwert der Leistungen des Schenkers (a) mit dem Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten (b) multipliziert und das Produkt durch den Verkehrswert der Leistungen des Schenkers (c) dividiert.

Bei der Bemessung der Verkehrswerte der Leistungen des Schenkers (c) wird sich das FG in bezug auf die beiden Grundstücke insbesondere mit der von ihm bislang offengelassenen Frage beschäftigen müssen, ob und inwieweit die Einwendungen des Klägers gegen die vom Bewertungssachverständigen des FA ermittelten und der angefochtenen Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Werte berechtigt sind.

Der Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten (b) ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Leistungen des Schenkers (c) und der Summe der Verkehrswerte der Aufwendungen des Klägers (Beschenkten), die in Geld und Sachleistungen bestehen. Dazu gehören die monatlichen Zahlungen an die Eltern und die Zahlungen zur Gleichstellung der Geschwister, nicht dazu zählt das Wohnrecht zugunsten der Eltern.

Der auf diese Weise ermittelte Steuerwert führt zu der Besteuerung ohne Berücksichtigung der im Wohnrecht verkörperten Belastung und trägt daher der Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 n.F. Rechnung.

Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung wird das FG darüber hinaus die Steuer zu errechnen haben, die auf den Kapitalwert der Belastung mit dem Wohnrecht entfällt. Insoweit hat das FG auch ohne dahingehenden Antrag die Stundung auszusprechen. Denn die Regelungen des § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG 1974 n.F. sind derart miteinander verbunden, daß der Ausspruch über die Stundung der Steuer und das Ausmaß der Stundung untrennbarer Bestandteil der Steuerfestsetzung sind. Das Anfechtungsbegehren, die Steuer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 n.F. anderweitig festzusetzen, beinhaltet zugleich das Begehren, den festgesetzten Betrag ganz oder teilweise nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 n.F. zu stunden (Senatsurteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524, 525f., unter 1.).

Der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 n.F. zu stundende Teil der Steuer besteht in der Differenz zwischen den Steuerbeträgen, die sich ohne und mit Abzug des nach Maßgabe der §§ 13 bis 16 des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden Kapitalwerts der Nutzungs- oder Duldungsauflage (hier: Wohnrecht) ergeben. Der zuletzt genannte - abzuziehende - Steuerbetrag ist anhand der im gleichlautenden Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länder vom 9. November 1989 (BStBl I 1989, 445) unter 3.3. angeführten - zutreffenden - Formel zu ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418923

BFH/NV 1993, 298

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