Rz. 48

Der Vorsitzende oder Berichterstatter kann gem. § 79a Abs. 2 S. 1 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichstsbescheid nach § 90a FGO entscheiden. Wegen des eingeschränkten Rechtsmittels nach § 79a Abs. 2 S. 2 FGO und im Hinblick auf die anderen Entscheidungen durch einen einzelnen Richter nach § 79a Abs. 3 FGO und nach § 6 FGO ist im Gerichtsbescheid eindeutig festzustellen, dass der Vorsitzende oder der Berichterstatter nach § 79a Abs. 2 FGO entschieden hat. Am deutlichsten wird dies durch Anführung der einschlägigen Vorschrift bereits im Rubrum.[1] Möglich ist auch ein Zwischengerichtsbescheid nach § 97 FGO oder nach § 99 FGO sowie ein Teilgerichtsbescheid nach § 98 FGO.

 

Rz. 49

Anders als bei Entscheidungen nach § 79a Abs. 1 FGO liegt es im Ermessen des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, ob er von der Ermächtigung des § 79a Abs. 2 FGO Gebrauch macht. Bei der Ausübung des Ermessens ist zu berücksichtigen, dass nach § 90a Abs. 1 FGO in geeigneten Fällen durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann. Dieser Maßstab ist auf den Gerichtsbescheid nach § 79a Abs. 2 S. 1 FGO zu übertragen. Neben einfach gelagerten Fällen sind für einen Gerichtsbescheid nach § 79a Abs. 2 FGO besonders geeignet solche, in denen der Vorsitzende oder der Berichterstatter zuvor vergeblich eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 FGO oder § 79b FGO gesetzt hat.[2] Hingegen sind Verfahren, in denen es allein um grundsätzliche Rechtsfragen geht und daher die Revision zuzulassen ist, als nicht geeignet für einen Gerichtsbescheid nach § 79a Abs. 2 FGO anzusehen.[3] Soweit geeignete Fälle unter dem Gesichtspunkt vorliegen sollen, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zur Feststellung des Sachverhalts nicht erforderlich erscheint[4], kann dieser Gesichtspunkt für die Entscheidung, ob sinnvoll verfahrensabschließend durch Gerichtsbescheid entschieden wird, im Rahmen der Prüfung, ob ein geeigneter Fall vorliegt, berücksichtigt werden, ist aber nicht allein entscheidend. Das Merkmal "ohne mündliche Verhandlung" bezieht sich m. E. nur auf den tatsächlichen Wegfall einer mündlichen Verhandlung, nicht aber auf die Ermessensentscheidung, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass die FG grundsätzlich als Kollegialgerichte ausgestaltet sind und der Gesetzgeber damit angenommen hat, dass Entscheidungen eines Kollegialorgans eine höhere Richtigkeitsgewähr bieten.[5] Bei einem Zwischengerichtsbescheid oder Teilgerichtsbescheid durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter sollte die präjudizierende Wirkung einer solchen Entscheidung für den Senat im Rahmen der Prüfung, ob ein geeigneter Fall vorliegt, berücksichtigt werden.

 

Rz. 50

Ob der Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 79a Abs. 2 FGO ausgeschlossen oder nur unter Berücksichtigung der Wertungsmaßstäbe des § 6 Abs. 2 FGO möglich ist, sobald sich der Senat mit der Sache befasst hat[6], ist fraglich. Der BFH hat den Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 79a Abs. 2 FGO in einem Ausnahmefall abgelehnt, in dem bereits die mündliche Verhandlung vor dem Senat geschlossen war und eine Entscheidung zugestellt werden sollte. Dann hätte allenfalls der Senat die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO beschließen können.[7] Auch wenn in dem dortigen Fall der Ausschluss eines Gerichtsbescheids durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter nach § 79a Abs. 2 FGO aufgrund der wohl abschließenden Befassung durch den Senat nachvollziehbar ist, ist z. B. nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung der Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 79a Abs. 2 FGO nicht ausgeschlossen. Das Ermessen, durch Gerichtsbescheid nach § 79a Abs. 2 FGO zu entscheiden, ist durch Sinn und Zweck des § 79a Abs. 2 FGO beeinflusst, zur Straffung des Verfahrens und zur Entlastung des Senats des FG beizutragen.[8] Danach ist es möglich, beispielsweise nach weiteren erforderlichen Sachverhaltsermittlungen nach Wiedereröffnung ermessensfehlerfrei einen Fall anzunehmen, der für den Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 79a Abs. 2 FGO geeignet erscheint. Die Wertungsmaßstäbe des § 6 Abs. 2 FGO sind hierfür nicht zu übertragen[9], da den Beteiligten – anders als bei § 6 FGO – aufgrund des möglichen Antrags auf mündliche Verhandlung eine Entscheidung durch den Senat offen steht. Im Übrigen zeigt § 79a Abs. 1 FGO mit dem Begriff des vorbereitenden Verfahrens, in dessen Stadium ein Rechtsstreit auch nach einer mündlichen Verhandlung fallen kann, dass der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter für eine Entscheidung in einem solchen Stadium zuständig ist.[10] Zudem könnte auch dann eine Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 FGO ergehen.

Rz. 51–52 einstweilen frei

[1] BFH v. 8.3.1994, IX R 58/93, BStBl II 1994, 571; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 79a FGO Rz. 15.
[2] Stapperfend, in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 79a FGO Rz. 21.
[3] So auch Stalbold, in Gosch, AO/FGO, § 79a Rz. 44.
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