2.4.1 Begriff der Vollmacht

 

Rz. 17

Der Rechtsbegriff "Vollmacht" ist vom Umgangssprachgebrauch abzugrenzen. Im allgemeinen Sprachgebrauch – auch in § 62 Abs. 6 S. 1 FGO – wird unter Vollmacht die Urkunde über die Vollmachtserteilung verstanden (Rz. 21). Demgegenüber ist die Vollmacht nach der Legaldefinition des § 166 Abs. 2 BGB – wie sie § 62 FGO zugrunde liegt (Rz. 3) – die durch Rechtsgeschäft (Rz. 18a) erteilte Vertretungsmacht.

2.4.2 Wirkung der Vollmachtserteilung

 

Rz. 18

Die Vollmachtserteilung begründet die Rechtsstellung des Bevollmächtigten. Sie bewirkt dessen Vertretungsbefugnis (Rz. 16) und begründet die Postulationsfähigkeit des Vertreters[1], also dessen Fähigkeit, vor dem FG aufzutreten und wirksam Prozesshandlungen vorzunehmen[2].

 

Rz. 18a

Die Vollmachtserteilung erfolgt entsprechend § 167 Abs. 1 BGB durch einseitige Erklärung des Beteiligten. Sie kann gegenüber dem Bevollmächtigten, den anderen Prozessbeteiligten oder dem Gericht erklärt werden[3]. Gem. § 130 BGB wird die Vollmachtserteilung mit Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam, auch wenn dieser sie nicht zur Kenntnis nimmt.

 

Rz. 19

Die Vollmachtserteilung ist eine Prozesshandlung des Beteiligten[4]. Hieraus folgt, dass die Rechtswirksamkeit der Vollmachtserteilung nicht durch Fehler oder Irrtümer in der Willensbildung des Beteiligten beeinträchtigt wird[5]. Sie kann also nicht gem. §§ 119, 123 BGB angefochten, sondern nur für die Zukunft widerrufen werden (Rz. 25, 57).

 

Rz. 20

Die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung durch den Beteiligten setzt dessen Beteiligungsfähigkeit (§ 57 FGO Rz. 16) und dessen Prozessfähigkeit (§ 58 FGO Rz. 2) voraus. Hierbei ist zu beachten:

  • Für Beteiligte, denen die natürliche Handlungsfähigkeit und damit die Prozessfähigkeit fehlt (§ 58 FGO Rz. 9), also bei den juristischen Personen des Zivilrechts (§ 57 FGO Rz. 23), handeln deren Vorstände bzw. z. B. bei der GmbH die Geschäftsführer. Eine GmbH kann vor Errichtung und Eintragung ins Handelsregister keine wirksame Prozessvollmacht erteilen[6].
  • Bei Personenvereinigungen, z. B. GbR, OHG und KG, Vermögensmassen oder anderen Rechtssubjekten, die als solche beteiligtenfähig sind (§ 57 FGO Rz. 28, 29), handeln die Gesellschafter oder Gemeinschafter, wenn keine andere vertragliche Regelung vorliegt (§ 58 FGO Rz. 26). Es müssen alle Gesellschafter oder Gemeinschafter die Vollmacht erteilen, da sie nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt sind, sofern keine Einzelvertretungsbefugnis besteht[7]. Dies gilt auch, wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage die Erteilung der Vollmacht schikanös verweigert[8]. Für eine vollbeendete Personengesellschaft (§ 57 FGO Rz. 33; § 48 FGO Rz. 13) können ehemalige Gesellschafter keine wirksame Prozessvollmacht mehr erteilen[9].
  • Bei Minderjährigen (Rz. 38) ist grundsätzlich die Bevollmächtigung durch beide Elternteile erforderlich[10].
 

Rz. 20a

Die Wirksamkeit der Erteilung einer Untervollmacht (Rz. 22, 49) erfordert die entsprechende Vertretungsbefugnis des Vollmachtgebers, sodass letztlich die Kette der Untervollmachten lückenlos bis zum Vertretenen reicht (Rz. 70).

2.4.3 Form der Vollmacht

 

Rz. 21

Die Vollmacht bedarf entsprechend § 167 Abs. 2 BGB keiner besonderen Form, sie kann schriftlich oder mündlich erfolgen[1]. Die Vollmacht kann ausdrücklich, aber auch durch konkludentes Verhalten erteilt werden, aufgrund dessen bei verständiger Würdigung die Einräumung der Vertretungsmacht angenommen werden kann[2].

 

Rz. 21a

Dem Grundsatz der Formfreiheit der Vollmachtserteilung steht nicht entgegen, dass nach § 62 Abs. 6 S. 1 FGO ggf. die Pflicht besteht, die Bevollmächtigung durch schriftliche Vollmachtsurkunde nachzuweisen (Rz. 60).

[1] Hartmann, in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 80 ZPO Rz. 7; BFH v. 23.3.2010, IV B 28/09, Rz. 16, BFH/NV 2010, 1242.

2.4.4 Inhalt der Vollmacht

 

Rz. 22

Der Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten wird durch den Inhalt der Erklärung (Rz. 18a) bestimmt. In dieser Hinsicht hat der Beteiligte ein Gestaltungsrecht. Der Beteiligte kann grundsätzlich die Vollmacht zeitlich und inhaltlich (Rz. 23, 24) beschränken, es muss nur die Befugnis zur Wahrnehmung von Rechte...

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