Rz. 99

Die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO gegen einen Steuerbescheid folgt aus der daraus resultierenden steuerlichen Belastung, d. h. nach der Differenz zwischen der festgesetzten Steuer und der angestrebten Steuer.[1] Denn aus § 157 Abs. 2 AO leitet sich der Grundsatz ab, dass bei einer Klage gegen die Steuerfestsetzung eine Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO grundsätzlich nur aus der Höhe der festgesetzten Steuer geltend gemacht werden kann, nicht jedoch aus einer unzutreffenden Feststellung unselbständiger Besteuerungsgrundlagen. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerverwaltungsakts leitet sich daher grundsätzlich nicht aus dessen Begründung bzw. unselbständigen Besteuerungsgrundlagen ab, hierbei handelt es sich in der Regel nur um einen nichtselbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids.[2] Daher ist es auch unerheblich, ob die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung nach den Angaben in der Steuererklärung vorgenommen oder sonst einem Antrag inhaltlich entsprochen hat. Bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft eines Verwaltungsakts kann der Stpfl. jederzeit seine Rechtsmeinung oder auch die Ausübung von Wahlrechten ändern. Nicht ausreichend ist es allerdings, nur die Veranlagung offenzuhalten, um ggf. später ein Veranlagungswahlrecht neu ausüben zu können.[3] Insoweit muss sich einzig eine Änderung der Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. ergeben. Gleichwohl kann sich – trotz der verfahrensrechtlichen Trennung zwischen Steuerfestsetzung und Steuererhebung – die Klagebefugnis auch durch die Wirkung für die Steuererhebung ergeben (Rz. 102). Jedenfalls kann die aus der Steuerfestsetzung folgende Klagebefugnis nicht deshalb entfallen, weil sich aufgrund von Steueranrechnungsbeträgen die Zahllast entfällt oder gar ein Erstattungsanspruch entsteht.[4]

 

Rz. 100

Im Ergebnis kann der Kläger nur dadurch in seinen Rechten verletzt sein, als die Steuer höher als gesetzlich geschuldet festgesetzt wurde. Wird eine Steuer zu niedrig festgesetzt, mag der Steuerbescheid zwar auch objektiv rechtswidrig sein, der Stpfl. wird jedoch durch diese Festsetzung nicht in seinen Rechten verletzt. Daher fehlt es auch für eine Klage gegen einen sog. Nullbescheid, der die Steuer auf 0 EUR festsetzt, an der Klagebefugnis.[5] Eine Umsatzsteuerfestsetzung, die aufgrund von Rundungsdifferenzen zu einer Steuer von 0,07 EUR führt und das FA im Bescheid ausdrücklich darauf hinweist, dass Beträge unter einem 1 EUR nicht erhoben werden, ist einer Nullfestsetzung gleichzustellen.[6] Allerdings kann bei einer Umsatzsteuerfestsetzung auf 0 EUR eine Klagebefugnis auch schon deswegen bestehen, weil dem Kläger ggf. ein – zu einer Umsatzsteuererstattung führender – weitergehender Vorsteuerabzug versagt wurde. Die Klagebefugnis entfällt auch, sobald nach Klageerhebung die angefochtene Steuer auf 0 EUR festgesetzt wird.[7]

Ausnahmsweise können Nullbescheide im Allgemeinen allerdings angefochten werden, wenn der Stpfl. geltend macht, überhaupt nicht steuerpflichtig zu sein.[8]

 

Rz. 101

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich aus einer unzutreffenden Feststellung unselbständiger Besteuerungsgrundlagen keine Rechtsverletzung ableiten lässt, ist nur dann anzunehmen, wenn die streitigen Bemessungs- oder Besteuerungsgrundlagen eines Steuerbescheids Feststellungen enthalten, die kraft Gesetzes oder kraft Rechtsverordnung für andere Behörden und den Stpfl. im Rahmen anderer Verfahren bindend sind.[9] Eine solche Bindungswirkung kann positiven Einkünften im Einkommensteuerbescheid für BAföG-Leistungen zukommen.[10] Eine Klagebefugnis kann sich auch daraus ergeben, dass zwar die Zurechnung von Einkünften zwischen zusammen veranlagten Ehegatten ohne steuerliche Auswirkungen bleibt, aber nachteilige Auswirkungen bei der Beihilfe nach § 4 Abs. 1 S. 1-4 BBhV zur Folge hat.[11] Eine Klagebefugnis hinsichtlich der Qualifizierung von Einkünften als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung und Verpachtung ist auch bei einer Nullfestsetzung gegeben, wenn die steuerrechtliche Einordnung der Einkünfte Auswirkungen auf die Einkünfte aus der Alterskassenrente hat.[12] Eine Bindungswirkung der ESt auf den GewSt-Messbescheid besteht hingegen – trotz der Änderungsmöglichkeit nach § 35b GewStG – nicht.[13] Soweit der Steuerbescheid aber insoweit keine Bindungswirkung nach sich zieht, lösen außersteuerrechtliche Folgewirkungen und Interessen keine Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO aus.

 

Rz. 102

Im Regelfall kann eine subjektive Rechtsverletzung ausnahmsweise durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung auch damit begründet werden, dass der gegenwärtige Steuervorteil durch die niedrige Steuerfestsetzung – nach Darlegung des Klägers mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – in einen diese Vorteile übersteigenden Nachteil in einem anderen Besteuerungszeitraum verursachen wird, die die für das Streitjahr festzusetzende Mehrsteuer übersteigen.[14] Diese steuerliche Wirkung muss allerdings rechtlich möglich sein.[15]

Eine solche Ausnahme kann s...

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