Fehlende Beschwer bei Anfechtung eines Nullbescheides

Hat eine steuerbegünstigte Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und erzielt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, für den streitig ist, ob dieser ein Zweckbetrieb ist, einen Gewinn von 0 EUR, ergibt sich aus einem Steuerbescheid, der eine Steuer von 0 EUR festsetzt, keine für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer.

Hintergrund: Verfahrensrechtliche Fragen bei einem Nullbescheid

Streitig ist in der Hauptsache, ob die von dem X-Verband gegenüber den Sozialleistungsträgern durchgeführte Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung als Zweckbetrieb anzusehen ist.

Der als gemeinnützig und mildtätig anerkannte X-Verband der freien Wohlfahrtspflege unterhält diverse wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie Zweckbetriebe. Der X-Verband ist aufgrund eines Vertrags mit dem Landkreis als Leistungserbringer im Rettungsdienst tätig. Die Abrechnung seiner Leistungen wickelt er selbständig mit den Kostenträgern ab.

In 2012 verlangten die Sozialleistungsträger, jeder Landkreis solle nur eine Abrechnungsstelle vorhalten. Daraufhin erweiterten der Landkreis A und der X-Verband ihren Vertrag dahingehend, dass der X-Verband – neben der Abrechnung der eigenen Einsätze – auch die Abrechnungen der Einsätze für andere Leistungserbringer des öffentlichen Rettungsdienstes gegenüber den Kostenträgern durchführen solle. Der Landkreis A als Träger des Rettungsdienstes und der X-Verband schlossen mit dem jeweiligen anderen Leistungserbringer Vereinbarungen über die Abrechnung der Rettungsdiensteinsätze.

Basis der Abrechnung in 2012 war ein Vertrag zwischen dem Landkreis A als Träger des Rettungsdienstes und den Sozialleistungsträgern als Kostenträger über die Benutzungsentgelte. In dem vereinbarten Kostenvolumen war ein Anteil für die dem X-Verband entstehenden Abrechnungskosten enthalten. Gleichzeitig vereinbarten der Landkreis A und die Sozialleistungsträger einen sog. Defizitausgleich. Aufgrund des Defizitausgleichs mit dem Kostenersatz betrug der Gewinn der "Abrechnungsstelle" des X-Verbands für 2012 0 EUR.

Das FA ging davon aus, der Betrieb der "Abrechnungsstelle" (ausgenommen die Abrechnung eigener Rettungsdienstleistungen des X-Verbands) sei ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und kein Zweckbetrieb. Dementsprechend erließ das FA für 2012 geänderte Bescheide über KSt und GewSt-Messbetrag, mit denen es die KSt und den GewSt-Messbetrag auf jeweils 0 EUR festsetzte.

Mit der anschließenden Klage verfolgte der X-Verband die Anerkennung als Zweckbetrieb. Das FG legte die Klage als Feststellungsklage aus und wies diese als unbegründet ab, weil die Abrechnung für andere Leistungserbringer ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, aber kein Zweckbetrieb sei.

Entscheidung: Die Klage ist nicht unbegründet, sondern unzulässig

Der BFH wies die Revision zurück. Entgegen der Auffassung des FG hat der X-Verband keine Feststellungsklage, sondern eine Anfechtungsklage erhoben. Diese Klage ist nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig abzuweisen.

Anfechtungsklage

Der Gegenstand der Klage richtet sich nach dem Klagebegehren. Dieses geht dahin, dass sich der X-Verband gegen die Einstufung seiner Abrechnungstätigkeit (für andere Leistungserbringer) als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wendet. Daher greift der X-Verband ausdrücklich die ergangenen Nullbescheide an. Damit handelt es sich nicht um eine Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO), sondern um eine Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO).

Anfechtungsklage trotz wörtlicher Formulierung als Feststellungsbegehren

Der Auslegung als Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass der Klageantrag das Wort "festgestellt" enthält. Denn bei der Auslegung des Klagebegehrens als prozessualer Willenserklärung sind alle Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH v. 20.8.2015, IV R 12/12, BFH/NV 2016, S. 412, Rz. 7). Dabei ist der BFH als Revisionsgericht nicht an die Auslegung durch das FG gebunden ist (BFH v. 20.11.2014, IV R 47/11, BStBl II 2015, S. 532, Rz. 17).

Die Anfechtungsklage ist unzulässig

Eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Eine Anfechtungsklage gegen einen Nullbescheid ist daher grundsätzlich unzulässig (BFH v. 27.10.2020, IX R 5/20, BFHE 271, 359, BStBl II 2021, S. 600, Rz. 22). Anders ist es, wenn der Regelungsgehalt des Bescheids (ausnahmsweise) über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht und sich eine zu niedrige Steuerfestsetzung daher anderweitig (bindend) ungünstig auswirkt. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Gemeinnützigkeit als solche ist nicht im Streit. Vielmehr beschränkt sich der Streitfall auf den bloßen sachlichen Umfang der Steuerbefreiung, weil der X-Verband mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält und die Eigenschaft nur eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als Zweckbetrieb im Ergebnis als unselbständige Besteuerungsgrundlage streitig ist (§ 157 Abs. 2 AO).

Keine zulässige Feststellungsklage

Die Klage ist (entgegen dem FG) auch nicht als Feststellungsklage zulässig, da die begehrte Feststellung nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO gegenüber der Anfechtungsklage (Gestaltungsklage, § 40 Abs. 1 FGO) subsidiär ist.

Hinweis: Subsidiarität der Feststellungsklage

Die Entscheidung verdeutlicht das Verhältnis von Anfechtungs- und Feststellungsklage. Die Subsidiarität gilt, wenn das FA über die begehrte Feststellung in einem Verwaltungsakt entscheiden muss, den der Kläger durch Gestaltungsklage anfechten kann (BFH v. 24.8.2017, V R 11/17, BFH/NV 2018, S. 14, Rz. 17). Für diese Befugnis kommt es nicht auf die Zulässigkeit der Anfechtungsklage im konkreten Fall, sondern auf die Statthaftigkeit an, da es sich bei § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO um eine Verfahrenskonkurrenzregelung handelt. Damit steht die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage auch der Zulässigkeit einer Feststellungsklage entgegen.

Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen durch den BFH

Der BFH hat als Revisionsgericht die Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BFH v. 3.9.2009, IV R 38/07, BStBl II 2010, S. 60). Hat das FG die Klage für zulässig aber unbegründet erachtet (somit ein Sachurteil getroffen) und gelangt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Klage bereits unzulässig ist, wird die Revision vom BFH "mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist" (BFH v. 7.5.2013, VIII R 17/09, BFH/NV 2013, S. 1581, Rz. 11).

BFH Urteil vom 16.12.2021 - V R 19/21 (veröffentlicht am 17.06.2022)

Alle am 17.06.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.

Schlagworte zum Thema:  Abgabenordnung, Körperschaft