Rz. 13

Die gesetzliche Bezeichnung Selbstanzeige, die durch das RAOÄndG 1939[1] in den Gesetzessprachgebrauch eingeführt worden ist, kann allenfalls für den Regelungsbereich des § 371 Abs. 1 bis 3 AO, nicht hingegen für den des § 371 Abs. 4 AO (vgl. Rz. 436ff.) verwendet werden . Die Bezeichnung hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt, obgleich sie inhaltlich den Regelungsinhalt des § 371 Abs. 13 AO nicht zutreffend beschreibt.[2] Der Begriff Selbstanzeige darf demgemäß nur als gesetzestechnische Bezeichnung verstanden werden. Aus diesem Begriff ergeben sich keine Folgerungen für den Regelungsinhalt des § 371 Abs. 13 AO.

 

Rz. 14

Die Selbstanzeige i. S. d. Gesetzesüberschrift und des allgemeinen Sprachgebrauchs ist nur die Selbstanzeigeerklärung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO (Rz. 69ff.). Diese Nacherklärung besteht inhaltlich ausschließlich darin, dass gegenüber der Finanzbehörde eine Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben erfolgt, die zuvor falsch bzw. unvollständig gemacht oder unterlassen wurden, sodass eine Steuerverkürzung i. S. v. § 370 Abs. 4 AO bzw. die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils bewirkt oder versucht worden ist. Diese Nacherklärung ist eine Erklärung im Besteuerungsverfahren.[3] Sie ist nicht nur eine Willenserklärung, sondern überwiegend eine Wissenserklärung über Tatsachen.[4] Sie eröffnet der Finanzbehörde die Möglichkeit, den steuerlichen Schaden zu korrigieren (vgl. Rz. 37ff.), stellt jedoch keinen Antrag auf Durchführung der Steuerfestsetzung i. S. v. § 171 Abs. 3 AO dar.[5]

 

Rz. 15

Diese Nacherklärung der Angaben im Besteuerungsverfahren wird erst zur Selbstanzeige im strafrechtlichen Sinne des § 371 Abs. 13 AO durch eine strafrechtliche Wertung der Finanzbehörde. Aufgrund der Nacherklärung der steuerlichen Angaben folgert die Finanzbehörde, dass die vorherigen Angaben wissentlich falsch oder unvollständig gemacht bzw. unterlassen worden sind und demgemäß durch diese Handlung der Straftatbestand des § 370 AO erfüllt wurde. Diese Folgerung der Finanzbehörde hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz des Verhaltens kann sich aus den Gesamtumständen des Sachverhalts oder aus der ausdrücklichen Aussage des Erklärenden ergeben. Ein solcher ausdrücklicher Hinweis, der den Begriffsteil "Anzeige" rechtfertigen würde, ist rechtlich allerdings nicht erforderlich bzw. nicht geboten (Rz. 80ff.). Die Nacherklärung der steuerlichen Angaben ist aus der Sicht der Finanzbehörde zugleich eine ausdrückliche oder konkludente Information über strafrechtlich relevantes Verhalten, also eine "Anzeige". Ist der Erklärende aus der Sicht der Finanzbehörde Tatbeteiligter der Steuerhinterziehung, so wertet sie die Nacherklärung als Selbstanzeigeerklärung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO und demgemäß nach dem Sprachgebrauch als "Selbstanzeige".

 

Rz. 16

Begrifflich ist also eine Selbstanzeige i. S. v. § 371 Abs. 13 AO die rechtliche Bewertung einer Nacherklärung, d. h. einer Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von steuerlichen Angaben als Korrektur der Tathandlung einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO und Wiedergutmachung des Taterfolgs.

[1] Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung v. 4.7.1939, RGBl I 1939, 1181.
[2] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 14; vgl. auch Kemper, in: Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 5.
[3] Dumke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Vor §§ 78–133 AO Rz. 9, 15; zur Abgrenzung zur Berichtigungserklärung nach § 153 AO s. Rz. 8; zur Selbstanzeigeberatung als steuerberatende Tätigkeit s. OLG Düsseldorf v. 23.3.2004, I-23 U 66/03, StuB 2004, 944.

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