2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 5

Die strafbefreiende Wirkung (vgl. Rz. 24ff.) der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 13 AO knüpft das Gesetz an drei objektive Merkmale, die zusammen erfüllt sein müssen:

  • Eine Selbstanzeigeerklärung (Rz. 69ff.) wird abgegeben.
  • Ein Ausschlussgrund[1] liegt nicht vor.
  • Die Nachentrichtungspflicht (Rz. 304ff.) wird erfüllt.
 

Rz. 6

Die Ausnahmeregelung des § 371 AO lässt die allgemeinen strafrechtlichen Regelungen unberührt.[2] Unabhängig von § 371 AO kann Straffreiheit demgemäß auch durch den Rücktritt vom Versuch der Steuerhinterziehung[3] erlangt werden, da beide Rechtsinstitute gleichberechtigt nebeneinander stehen. Der Täter kann somit bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen auf das für ihn günstigere Institut zurückgreifen. Vgl. zum strafbefreienden Rücktritt Rz. 401ff.

 

Rz. 7

Die Selbstanzeige einer leichtfertigen Steuerverkürzung ist in § 378 Abs. 3 AO unter Bezugnahme auf § 371 AO gesondert geregelt.

Sonderregelungen zu § 371 AO ergaben sich für die Strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen durch das "Steueramnestie-Gesetz" gem. Art. 17 Steuerreformgesetz 1990 v. 25.7.1988[4] bis zum 31.12.1990 und für die Strafbefreiende Erklärung durch das Strafbefreiungserklärungsgesetz v. 23.12.2003[5] bis zum 31.12.2004.

2.1.2 Zweck der Selbstanzeige

 

Rz. 8

Die Selbstanzeige ist eine steuerstrafrechtliche Besonderheit des deutschen Strafrechts,[1] weil bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 371 Abs. 13 AO Straffreiheit bei beendeter Straftat gewährt wird.[2] Hierin liegt der gesetzliche Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch. Deswegen wird die Regelung im Gegensatz zu den zeitlich begrenzten Sonderregelungen (Rz. 7) verschiedentlich auch als "permanente Amnestie" bezeichnet.[3] Da der Eintritt der Straffreiheit noch von der Nachentrichtung abhängig ist (Rz. 304ff.), handelt es sich inhaltlich um einen gesetzlichen Ablass steuerstrafrechtlicher Sünden bei Ausgleich des fiskalischen Nachteils.[4]

 

Rz. 9

Die Gewährung der strafbefreienden Wirkung wurde überwiegend aus steuerpolitischen Erwägungen gerechtfertigt.[5] Wesentlicher Gesichtspunkt war hierbei die Erschließung einer dem Fiskus bisher unbekannten Steuerquelle. Der durch die Nachentrichtung bewirkte fiskalische Vorteil wurde auch von der höchstrichterlichen Rspr. als Zweck der Strafbefreiung angesehen.[6]

 

Rz. 10

Demgegenüber wird zunehmend dem kriminalpolitischen und strafrechtlichen Aspekt der Regelung die größere Bedeutung eingeräumt, also einen Anreiz für die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit und gesetzmäßigem Verhalten zu geben, sofern zugleich der verwirklichte Steuerschaden wieder ausgeglichen wird.[7]

Der BGH[8] vertritt in seiner neueren Rechtsprechung die Auffassung, dass die in dem Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch (vgl. Rz. 24ff.) liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern nur gerechtfertigt sei, wenn neben der Erschließung der verborgenen Steuerquelle auch die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gegeben ist. Dieser Rückkehr kommt nach Ansicht des BGH[9] heutzutage mehr Gewicht zu als dem fiskalischen Zweck der Erschließung unbekannter Steuerquellen. Aber selbst wenn der BGH den auch vorher bereits von ihm anerkannten Zweck der Anreizsetzung für die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nun zur Unterstützung seiner Argumentation stärker hervorhebt, besteht doch Einigkeit, dass die Erschließung bisher verborgener Steuerquellen zwar nicht mehr die primären, aber auch weiterhin eine der Rechtfertigungen des § 371 AO darstellt.

Der Gesetzgeber hat die Änderung des § 371 AO mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz auf dieser Grundlage vorgenommen und hat in der Begründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz klarstellt, dass er den Sinn der Selbstanzeige immer noch darin sieht, steuerlich relevante Informationen zur Sicherung des Steueraufkommens und zur Erschließung bisher unbekannter Steuerquellen zu erschließen.[10]

[1] Abramowski, DStZ 1992, 300 zum internationalen Vergleich; vgl. auch Kemper, DStZ 2014, 832, 835ff., der zu Recht darauf hinweist, dass es auch in vielen anderen Staaten dem § 371 AO vergleichbare Vorschriften gibt.
[2] Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 261 Abs. 8, 266a Abs. 6 StGB und § 31d Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 23b Abs. 2 PartG sowie für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten in §§ 378 Abs. 3 AO, 22 Abs. 4 AWG; vgl. auch BT-Drs. 17/14071, 6f.
[3] Horn, INF 1983, 134, 135.
[4] Aus diesem Grund lehnten u. a. die SPD im Jahr 2010 (Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, BT-Drs. 17/1411) und die Fraktion DIE LINKE im Jahr 2014 (BT-Drs. 18/3439, 7) die Selbstanzeige generell ab.
[5] Beckem...

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