Rz. 251

Die Tatbestandsverwirklichung der Steuerhinterziehung ist Grundlage der:

  • Haftung nach § 71 AO für die verkürzten Steuern oder unberechtigt erlangten Steuervorteile. Wenn der Tatbeteiligte der Steuerhinterziehung nicht selbst Steuerschuldner ist, denn Schuld und Haftung schließen sich gegenseitig aus (s. § 191 AO Rz. 2), er also zugunsten eines Dritten hinterzogen hat (s. Rz. 18, 105), so haftet er für den Steuerschaden. Das Kompensationsverbot (s. Rz. 110) gilt insoweit nicht[1].
 

Rz. 252

  • Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO für hinterzogene Steuern auf 10 Jahre, wobei deren Ablauf bis zum Eintritt der Strafverfolgungsverjährung gem. § 171 Abs. 7 AO gehemmt ist (vgl. Rz. 252a).

    Die Verlängerung der Festsetzungsfrist (zur Aufklärungspflicht Rz. 250) tritt aber nur ein, wenn die Hinterziehung dieser Steuer auch strafbar ist[2].

    Die Verlängerung der Festsetzungsfrist tritt außerdem nur ein, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 370 AO insgesamt erfüllt sind, also auch eine schuldhafte Steuerhinterziehung (s. Rz. 120) vorliegt[3].

    Schuldausschließungsgründe hindern demgemäß die Verlängerung der Festsetzungsfrist[4].

    Die Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung auf zehn Jahre[5] entfällt jedoch nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige seine unrichtigen Angaben vor Ablauf der normalen Festsetzungsfrist von vier Jahren[6] berichtigt[7]. Dies ergibt sich strukturell daraus, dass die verlängerte Festsetzungsfrist eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 AO voraussetzt und es sich bei einer Selbstanzeige i. S. d. § 371 AO lediglich um einen Strafausschließungsgrund handelt.

    Die verlängerte Festsetzungsfrist gilt auch, wenn der Stpfl. nicht Tatbeteiligter ist, also die Hinterziehung zu seinen Gunsten erfolgt ist (s. Rz. 18; vgl. FG des Saarlandes v. 2.7.1991, 1 K 315/90, wistra 1991, 353; BFH v. 9.3.1994, VIII S 9/93, BFH/NV 1995, 26). Sie gilt jedoch nur für die hinterzogenen Beträge (s. Rz. 85).

 

Rz. 252a

Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 171 Abs. 7 AO zu. Durch diese Norm soll verhindert werden, dass auf die Festsetzung und damit auch auf die Einziehung von Steuern verzichtet werden muss, obwohl noch eine straf- oder ordnungsrechtliche Ahndung erfolgt (s. § 171, Rz. 68). Die Ablaufhemmung tritt immer ein, wenn der Tatbestand der verlängerten Festsetzungsfrist verwirklicht ist, sodass die Ablaufhemmung auch eingreift, wenn ein Dritter die Tat begangen hat. Trotz der Aufgabe der Rechtsprechung zum Fortsetzungszusammenhang bei Steuerhinterziehung[8] ist die Bedeutung des § 171 Abs. 7 AO aber keinesfalls entfallen.[9] Er kommt vielmehr z. B. in Fällen von sog. "infizierten" Erbschaften zur Anwendung. Hat z. B. der Erblasser seit Jahren die Kapitalerträge aus seinem Konto in der Schweiz nicht erklärt, so sind seine Erben nach § 153 AO verpflichtet, für die noch nicht festsetzungsverjährten Zeiträume eine Nacherklärung abzugeben. Tun sie dies nicht, machen sie sich nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar. In diesem Zusammenhang führt die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 7 AO nun dazu, dass die steuerliche Festsetzungsfrist im Hinblick auf die Kapitalerträge so lange ausgesetzt ist, bis die durch die Erben begangene Steuerhinterziehung strafrechtlich verjährt ist.

 

Rz. 253

  • Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt die Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 AO voraus[10]. Demgemäß ist auch für die Zinsfestsetzung die grundsätzliche Strafbarkeit der Hinterziehung der betreffenden Steuer erforderlich (s. entspr. Rz. 252; zur VSt Rz. 80).

    Ebenso ist für die Zinsfestsetzung die schuldhafte Steuerhinterziehung (s. Rz. 123) erforderlich[11]. Bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen sind die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung und der Höhe der hinterzogenen Steuer unabhängig von einem ergangenen Steuerbescheid zu prüfen.[12]

    Für die Bemessungsgrundlage der Hinterziehungszinsen gilt das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO (s. Rz. 110) nicht[13].

    Für die Entstehung der Hinterziehungszinsen ist es unerheblich, ob die Steuerhinterziehung durch den Stpfl. selbst oder einen Dritten (s. Rz. 18) begangen wurde[14]. Die Zinsfestsetzung wird durch den Tod des Täters der Steuerhinterziehung nicht ausgeschlossen[15]. Sie hat keinen Strafcharakter[16].

    Hinterziehungszinsen entfallen nicht durch die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige, da es auch in diesem Fall angezeigt ist, den dem Staat entstandenen Zinsverlust abzuschöpfen. Hinterziehungszinsen fallen hingegen nicht an bei versuchter Steuerhinterziehung.

    Die Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen beginnt mit der Einleitung des Steuerverfahrens wegen Steuerhinterziehung nach § 397 AO[17]. Ist gegen mehrere Tatbeteiligte das Strafverfahren wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung (s. Rz. 14) eingeleitet worden, so beginnt die Festsetzungsfrist ...

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