1.2.1 Rechtsnatur der Haftung
Rz. 4
Die Geltendmachung des materiellen Haftungs- bzw. Duldungsanspruchs durch die Finanzbehörde ist abhängig von dessen Rechtsnatur:
- Wird die Einstandspflicht des Haftenden durch einen Vertrag zwischen ihm und der Finanzbehörde nach § 48 Abs. 2 AO begründet, so entsteht hier ein zivilrechtliches Schuldverhältnis.[1] Aus diesem Rechtsverhältnis erlangt die Finanzbehörde keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse, sodass die Geltendmachung des Anspruchs durch die Finanzbehörde nach den Regeln des bürgerlichen Rechts auf dem Zivilrechtsweg erfolgt.[2] Auch ist es nicht möglich, einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB durch Haftungsbescheid geltend zu machen, vielmehr ist auch hier der Zivilrechtsweg gegeben.[3]
Rz. 4a
- Wird die Einstandspflicht des Haftenden durch Gesetz begründet, wobei es sich nicht unbedingt um ein Steuergesetz handeln muss[4], so entsteht ein Steuerschuldverhältnis.[5] Dieser Anspruch wird von der Finanzbehörde aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Befugnisse in eigener Kompetenz geltend gemacht. Der gesetzliche materielle Anspruch wird durch Verwaltungsakt i. S. v. § 118 AO konkretisiert, wie sich aus § 218 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 AO ergibt.[6] Haftungs- und Duldungsbescheid sind jedoch keine Steuerbescheide nach § 155 Abs. 3 AO.[7] Denn der Haftungsanspruch ist kein Steueranspruch, sondern ein selbständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gem. § 37 AO.[8] Somit sind auch nicht die für die Steuerbescheide geltenden Verfahrensvorschriften anwendbar.[9]
Rz. 4b
Der Haftungsbescheid gem. § 191 AO ist dabei von der Zahlungsaufforderung, dem Leistungsgebot nach § 219 AO, zu unterscheiden.[10]
1.2.2 Haftungsverfahren
Rz. 5
§ 191 AO regelt die verfahrensmäßige Feststellung und Festsetzung des materiellen Haftungs- bzw. Duldungsanspruchs[1] durch die Finanzbehörde[2] im Haftungsbescheid[3] bzw. Duldungsbescheid.[4] Damit gehört der Haftungsbescheid letztlich dem Festsetzungsverfahren an, während die Zahlungsaufforderung nach § 219 AO dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist.[5]
Rz. 5a
Der Haftungsbescheid bildet die Grundlage für die Verwirklichung des Haftungsanspruchs im Erhebungsverfahren gem. § 218 Abs. 1 AO.[6] Hier ist in § 219 AO für die Erhebung des festgesetzten Haftungsanspruchs eine ergänzende Sonderregelung getroffen.[7] Gleichzeitig ergibt sich auch aus § 219 AO das Prinzip der Subsidiarität der Haftung.[8] Dabei wird dieses Prinzip auch bei der Ermessensausübung, ob überhaupt ein Haftungsbescheid ergeht, berücksichtigt.[9]
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