1 Entschädigungsanspruch

1.1 Grundlagen

 

Rz. 1

Durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz[1] wurde in § 107 S. 1 AO das Wort "Vorlagepflichtige" eingefügt und in § 107 S. 2 AO das Wort "Auskunftspflichtige" durch die Wörter "Auskunfts- und Vorlagepflichtige" ersetzt.

 

Rz. 2

§ 107 S. 2 AO stellt – mit der Ausnahme für Beteiligte und gleichgestellte Personen – klar, dass in allen anderen Fällen die bei der Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspersonen (s. Rz. 8), Vorlagepflichtige (s. Rz. 12) und Sachverständige (s. Rz. 13) nach den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zu entschädigen sind. Das JVEG – es ist gem. § 25 S. 1 JVEG anzuwenden, wenn der Auftrag nach dem 30.6.2004 erteilt oder der Entschädigungsberechtigte nach diesem Zeitpunkt herangezogen wurde – ist in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Es ergänzt insoweit die Regelungen der AO.

Im Rahmen des § 107 AO besteht ein Rechtsanspruch auf Aufwendungsersatz [2], wie er auch im allgemeinen Verwaltungsverfahren gegeben ist.[3] Es handelt sich um einen Anspruch aus dem Steuerpflichtverhältnis, der nicht im Ermessen der Finanzbehörde steht. In Umkehrung zu § 3 Abs. 4 AO ist dieser als steuerlicher Nebenanspruch des Berechtigten zu bezeichnen.[4]

 

Rz. 3

Durch die Regelung der Mitwirkungspflichten im finanzbehördlichen Ermittlungsverfahren in §§ 93, 96 und § 97 AO (Auskunftspflichtige, Sachverständige und Vorlagepflichtige) werden allgemeine staatsbürgerliche Pflichten zu steuerlichen Pflichten transformiert. Die Mitwirkung im steuerlichen Ermittlungsverfahren begründet demgemäß grundsätzlich keinen Entschädigungsanspruch für etwaige mit der Pflichterfüllung verbundene Aufwendungen.[5] § 107 AO i. V. m. dem JVEG bringt eine gesetzliche Sonderregelung für den Aufwendungsersatzanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

§ 107 AO i. V. m. dem JVEG gibt eine abschließende Regelung.[6] Über die hier geregelten Tatbestände und die genannte Höhe hinaus kann – soweit nicht eine entsprechende Anwendung in Betracht kommt (s. Rz. 11) – Aufwendungsersatz nicht beansprucht werden.[7]

[1] Vom 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809.
[3] § 26 Abs. 3 S. 2 VwVfG; zum Steuerstrafverfahren s. Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 405 AO Rz. 2; zum finanzgerichtlichen Verfahren s. § 82 FGO i. V. m. §§ 401, 413 ZPO.
[6] S. § 1 Abs. 1 S. 2 JVEG; s. entspr. Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 405 AO Rz. 1a m. w. N.; vgl. Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 5.
[7] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 107 AO Rz. 10.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 4

Die Einordnung des § 107 AO in den 3. Teil "Allgemeine Verfahrensvorschriften" zeigt, dass der Anspruch für jegliche steuerliche Ermittlungstätigkeit besteht, die nach den Vorschriften der §§ 85ff. AO erfolgt. Die Heranziehung zu Beweiszwecken begründet damit in jedem Stadium des finanzbehördlichen Besteuerungsverfahrens den Entschädigungsanspruch, d. h. sowohl im eigentlichen Steuerfestsetzungsverfahren, im Außenprüfungsverfahren[1], im Steueraufsichtsverfahren[2] als auch im Einspruchsverfahren[3] oder im Vollstreckungsverfahren.[4]

 

Rz. 5

Im Steuerstrafverfahren[5] bzw. Steuerordnungswidrigkeitenverfahren[6] finden die Beweisvorschriften der §§ 85106 AO keine Anwendung, sodass hier ein Entschädigungsanspruch nicht nach § 107 AO begründet wird. Die demgemäß erforderlichen Sondervorschriften der §§ 405, 410 Abs. 1 Nr. 10 AO verweisen aber ebenfalls auf das JVEG, sodass auch insoweit Entschädigungsansprüche bei der Heranziehung zu Beweiszwecken unter gleichen Voraussetzungen gegeben sind.

 

Rz. 6

Auch die Heranziehung durch die Zoll- oder Steuerfahndung [7] kann die Entschädigungspflicht begründen. Hier greift allerdings § 405 AO (s. Rz. 3a) ein, soweit die Fahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 AO im strafprozessualen Aufgabenbereich tätig wird.[8] Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO sind dagegen eine steuerliche Ermittlungstätigkeit[9], sodass hier für den Aufwendungsersatz § 107 AO anwendbar ist.[10]

1.3 Voraussetzungen für die Entschädigung

1.3.1 Negativabgrenzung: Keine Entschädigung der Beteiligten und gleichgestellter Personen (§ 107 S. 2 AO)

 

Rz. 7

Beteiligte i. S. v. § 78 AO, die nach § 93 Abs. 1 S. 1 AO[1] in ihrem eigenen Besteuerungsverfahren in Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht Auskunft erteilen, haben nach § 107 S. 2 AO keinen Entschädigungsanspruch. Personen, die gesetzlich verpflichtet sind, für den Beteiligten Auskunft zu erteilen, also die gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigten[2], sind nicht "andere Personen" i. d. S.[...

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