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Die Rechtsschutzgarantie[1] sichert den Zugang zum Verfahren. Das Recht auf Gehör gewährleistet den angemessenen Ablauf des Verfahrens. Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substanziell ankommen, also wirklich gehört werden. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht. Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz ist für jedes Gerichtsverfahren unabdingbar. Die rechtsstaatliche Bedeutung ist auch im Anspruch auf ein faires Verfahren[2] sowie in der Europäischen Grundrechtecharta[3] anerkannt. Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können.[4] Die Ausgestaltung des Prinzips im Einzelnen bleibt der jeweiligen Verfahrensordnung vorbehalten.[5] Als prozessuales Grundrecht stellt das Gebot sicher, dass die Entscheidung des Gerichts frei von Verfahrensfehlern ergeht, die durch mangelnde Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Vortrags der Parteien entstehen.[6] Die Parteien sollen vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen können.[7]

In der FGO ist das rechtliche Gehör insbesondere durch § 96 Abs. 2 FGO, wonach das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, verbürgt.[8] Andere Regelungen, die der Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dienen, sind z. B. § 56 FGO (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), § 60 FGO (Beiladung), § 77 FGO (Schriftsatzaustausch), § 78 FGO (Akteneinsicht), § 79 FGO (Erörterungstermin), §§ 76, 79, 79b, 83, 155 FGO i. V. m. § 278 ZPO (Hinweise und Benachrichtigungen des Gerichts), § 90 FGO (mündliche Verhandlung), § 92 FGO (Gang der Verhandlung), § 91a FGO (Videokonferenz), § 93 FGO (tatsächliche und rechtliche Erörterung).

Nicht jeder Verstoß gegen diese einfachgesetzlichen Regelungen führt indes zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs i. S. eines absoluten Revisionsgrunds nach Nr. 3, sondern nur, soweit diese Regelungen bzw. ihre Anwendung im Einzelfall den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht genügen.[9] Soweit die einfachgesetzlichen Regelungen weitergehende Rechte als den Mindeststandard nach Art. 103 Abs. 1 einräumen, liegt bei einer Verletzung zwar ein Verfahrensfehler i. S. d. §§ 118, 120 Abs. 2 FGO vor, nicht jedoch ein absoluter Revisionsgrund i. S. d. § 119 Nr. 3 FGO, sodass insoweit die für absolute Revisionsgründe geltende Kausalitätsvermutung nicht greift.

Die Belastung der FG führt in vielen Fällen zu einem straffen Verfahrensgang, was dazu führt, dass die Beteiligten nicht selten den Eindruck gewinnen, das Gericht nehme ihren Sachvortrag nicht ausreichend zur Kenntnis bzw. gehe auf ihre Argumente nicht genügend ein. Dementsprechend wird im Revisionsverfahren die Gehörsverletzung am häufigsten vorgebracht.

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