Leitsatz

Auch eine schuldrechtliche Option auf den Erwerb einer Beteiligung (Call-Option) kann eine Anwartschaft sein, deren Veräußerung unter den sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen zu einem steuerbaren Gewinn nach § 17 EStG führt, wenn und soweit sie die wirtschaftliche Verwertung des bei der Kapitalgesellschaft eingetretenen Zuwachses an Vermögenssubstanz ermöglicht.

 

Normenkette

§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 17 Abs. 1, § 17 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1993 mit einem im Privatvermögen gehaltenen Anteil von 75 % an der A-GmbH beteiligt. Im Oktober 1993 wurde das Stammkapital von 2 Mio. DM auf 2,7 Mio. DM erhöht. Die neuen Stammeinlagen übernahm die B-GmbH für insgesamt 5 Mio. DM. Damit war sie zu 25 % am Stammkapital beteiligt. Am gleichen Tag gab der Kläger im Rahmen eines notariellen Vertrags (Optionsvertrag 1) das unwiderrufliche Angebot ab, den Geschäftsanteil der B-GmbH zu erwerben mit einer Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 (sog. Put-Option). Der Kläger konnte bei entsprechender Bonität auch die Übertragung des Geschäftsanteils auf einen Dritten verlangen. Die im Einzelnen bestimmte Bemessung des Kaufpreises war nach oben begrenzt.

In der Folge übernahm eine neu gegründete AG das operative Geschäft der A-GmbH, die fortan nurmehr als Holding fungierte. Mit Vertrag vom Juli 1995 (Optionsvertrag 2) änderten die Vertragspartner den Optionsvertrag 1 und vereinbarten, dass sich der Kaufpreis für den Geschäftsanteil nunmehr unter Berücksichtigung des konsolidierten Gewinns von A-GmbH und AG errechnen sollte bei einem Mindestkaufpreis von 5 Mio. DM unter Beibehaltung der festgelegten Höchstgrenze. Der Kläger machte der B-GmbH ferner das unwiderrufliche, bis zum 30.06.2000 be­fris­tete Angebot, ihren Geschäftsanteil an der A-GmbH an den Kläger zu verkaufen und abzutreten (sog. Call-Option). Am 29.12.1998 (Streitjahr) veräußerte der Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag im Einverständnis der B-GmbH sein Optionsrecht aus dem Optionsvertrag 2 mit sofortiger Wirkung an die X-AG zu einem mit Vertragsabschluss fälligen Kaufpreis von 20 Mio. DM. Die X-AG trat (nur) in die im Optionsvertrag 2 geregelten Rechte und Pflichten ein. Am selben Tag vereinbarten die B-GmbH und die X-AG eine Neufassung der Optionsvereinbarung. Dabei wurde der Kaufpreis für die Geschäftsanteile an der A-GmbH auf 10 Mio. DM festgelegt. Die X-AG erwarb diese Anteile am 28.05.1999.

Das beklagte FA erfasste den Gewinn aus der Veräußerung des Optionsrechts im Rahmen der ESt-Festsetzung für 1998 beim Kläger gem. § 17 Abs. 1 EStG.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das die Klage abweisende Urteil des FG (EFG 2006, 1056), wonach ein Veräußerungsgewinn i.H.v. 20 Mio. DM beim Kläger anzusetzen sei. Der Kläger habe mit den Optionsrechten zwar weder wirtschaftliches Eigentum an den Ge­sell­schafts­anteilen erworben noch -- entgegen der Auffassung des FG -- ein Anwart­schaftsrecht.

Nach dem Inhalt der Optionsverträge habe dem Kläger vor der Optionsausübung weder ein Stimmrecht noch ein Gewinnbezugsrecht zugestanden. Zudem seien wegen der Ausgestaltung der Formel zur Kaufpreisermittlung Chance und Risiko einer Wertänderung der Anteile zu einem nicht näher abgrenzbaren Teil bei B-GmbH verblieben. Deshalb könne in der Schwebephase vor Ausübung der Option nicht von einem wirtschaftlichen Ausschluss der zivilrechtlich berechtigten B-GmbH i.S.v § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO gesprochen werden. Ebenso wenig könne bereits von einem Anwartschaftsrecht des Klägers ausgegangen werden; denn der Kläger habe zwar mit seinem Optionsrecht ein Mittel zur Bestimmung des weiteren Geschehensablaufs in der Hand gehabt. Dieses sei aber zunächst nur auf den Abschluss eines weiteren (Übertragungs-)Vertrags gerichtet gewesen. Ohne die aus objektiver Sicht noch ungewisse Optionsausübung habe der Kläger auch noch keine Position innegehabt, bei der es ipso iure zu einem Übergang des von der B-GmbH gehaltenen Ge­sell­schafts­anteils hätte kommen können. Indes habe, was für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG ausreiche, dem Kläger bereits eine Anwartschaft zugestanden. Da der Kläger selbst keine Anschaffungskos­ten für das Optionsrecht gehabt und auch nicht in anderer Weise wirtschaftlich getragen habe, sei der vom Kläger erzielte Veräußerungspreis für das Optionsrecht zu Recht als Veräußerungsgewinn angesetzt worden.

 

Hinweis

1. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass Anwartschaften bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 14.03.2006, VIII R 49/04, BFH-PR 2006, 465). Maßgebend ist hierfür vielmehr die Beteiligung am Kapital der Gesellschaft. Ausnahmsweise werden auch Genussrechte dann einbezogen, wenn mit ihnen das Recht am Gewinn und am Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist (BFH, Urteil vom 14.06.2005, VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861).

2. Davon zu unterscheiden ist die vom BFH im Streitfall entschiedene Frage, dass bei einem wesentlich Beteiligten auch Anwartschaf...

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