Relevante Beteiligung an einer "Corporation" (Delaware)

Anteile an einer "Corporation" nach US-amerikanischem Recht gehören zu den ähnlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG.

Hintergrund: Beteiligung an einer US-Corporation

Streitig war, wie die Relevanzschwelle des § 17 Abs. 1 EStG bei einer "Corporation" i.S. des US-Bundesstaats Delaware zu ermitteln ist.

R war Alleingesellschafter der S-GmbH mit Sitz im Inland. Die Anteile an der S-GmbH veräußerte er in 2008 an die Z-Unternehmensgruppe und erhielt (neben einem Geldbetrag) im Tausch 1,2 Mio. Anteile an der Z-Inc. (Corporation, Delaware/USA)

In 2010 wurde zwischen der Z-Inc., der Y-Inc. und der X-Corp. (Muttergesellschaft) eine Verschmelzung mit der Z-Inc. als aufnehmender Rechtsträgerin, die als 100%ige Tochtergesellschaft der X-Corp. fortbestehen sollte, vereinbart. Nach dem Verschmelzungsvertrag wurde jeder Anteil aufgehoben und automatisch in ein Vermögensrecht (im Gegenwert von 6,10 USD je Anteil) getauscht. R nahm die im Zusammenhang mit der Verschmelzung erhaltenen Vermögensrechte in 2011 und 2012 in Anspruch.

Das FA berücksichtigte für 2011 einen Veräußerungsgewinn von 3,4 Mio. €.

R wandte ein, es liege keine relevante Beteiligung i.S. des § 17 EStG vor. Nach dem Tausch habe er 1,2 Mio. Stück Aktien von insgesamt 150 Mio. "authorized share capital" erworben. Das entspreche einer Beteiligung nur von 0,86 % am Nominalkapital.

Das FG wies die Klage ab. Das "authorized share capital" sei nicht mit dem Grundkapital nach deutschem Aktienrecht vergleichbar. Die Bezugsgröße für die Bestimmung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG seien die aufgrund der Verschmelzungsvereinbarung ausgegebenen 37 Mio. Anteile ("issued and outstanding shares"), was einer Beteiligung von 3,48 % entspreche.

Entscheidung: Abzustellen ist auf die "issued and outstanding shares"

Der BFH bestätigte das FG-Urteil und wies die Revision als unbegründet zurück. R war zu mindestens 1 % i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG an der Z-Inc. beteiligt.

Ähnliche Beteiligung

Bei den Anteilen an einer "Corporation" US-amerikanischen Rechts handelt es sich um eine ähnliche Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Die Gesellschaft ist nach dem sog. Typenvergleich einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar (BFH v. 18.5.2021, I R 12/18, BStBl II 2021, S. 875, Rz. 13; BMF v. 24.12.1999, BStBl I 1999, S. 1076, Tabelle 1). Ebenso ist die Vergleichbarkeit der in den "shares" verkörperten Rechte mit den Gesellschafterrechten eines Aktionärs gleich zu setzen.

Höhe der Beteiligung

Aus der Anbindung des § 17 Abs. 1 EStG an die zivilrechtliche Regelung folgt, dass sich steuerrechtlich die Höhe des Anteils an einer GmbH ebenfalls aus der übernommenen Stammeinlage errechnet (BFH v. 14.6.2005, VIII R 73/03, BStBl II 2005, S. 861). Für die Wesentlichkeit der Beteiligung ist auf die Höhe des Anteils am Nennkapital abzustellen. Die typisierende Anknüpfung an der nominellen Beteiligung am Stamm- oder Grundkapital ist sachgerecht, da im Regelfall die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile am Vermögenszuwachs der Kapitalgesellschaft beteiligt sind (BFH v. 25.11.1997, VIII R 29/94, BStBl II 1998, S. 257).

Bezugsgröße bei Auslandskapitalgesellschaften

Das in der Satzung und in den Gründungsunterlagen genannte und bei der Registrierung angegebene "authorized capital" legt als genehmigtes Kapital nur die Anzahl der Aktien fest, die von der Gesellschaft ausgegeben werden dürfen. Diese Anzahl gibt aber keine Auskunft oder Gewissheit darüber, dass die Gesellschaft in dieser Höhe auch mit Kapital ausgestattet bzw. dass mit einer Kapitalaufbringung in dieser Höhe zu rechnen sei. Das lässt sich nur aus den Angaben zu den "issued and outstanding shares" ersehen. Allein den Inhabern dieser Anteile stünden die maßgeblichen Rechte eines Aktionärs zu. Dementsprechend war R – gemessen an der Anzahl der von der Gesellschaft tatsächlich ausgegebenen "shares" – in relevanter Höhe (d.h. zu mindestens 1%) an ihr beteiligt. 

Veräußerung

R hat in 2010 die Anteile an der Z-Inc. im Zuge der Verschmelzung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG veräußert. Nach dem Verschmelzungsvertrag wurde jeder Anteil in ein Vermögensrecht im Gegenwert von 6,10 USD je Anteil getauscht. Hierin liegt eine entgeltliche Übertragung der Anteile und damit eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG.

Veräußerungszeitpunkt

Die verschmelzungsbedingte Veräußerung der Anteile an der Z-Inc. erfolgte mit der Einreichung der Verschmelzungsurkunde beim "Secretary of State" von Delaware und damit erst in 2011. Der erst im Revisionsverfahren vorgetragene Einwand, der Veräußerungstatbestand sei bereits in 2010 verwirklicht worden, da R das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen an der Z-Inc. schon mit Abschluss des Verschmelzungsvertrags in 2010 verloren habe, wurde vom BFH nicht berücksichtigt. Diese Argumentation greift die tatsächlichen Feststellungen des FG zur Frage des nach ausländischem Recht zu beurteilenden Zeitpunkts des Rechteübergangs an und macht daher einen Sachaufklärungsmangel i.S. von § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend. Ein solcher Verfahrensfehler hätte innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 FGO dargelegt werden müssen.

Deutsches Besteuerungsrecht

Im Streitfall besteht ausschließlich deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 5 DBA-USA. Deutschland kann den Veräußerungsgewinn als Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuern.

Hinweis: Ablehnung der Rechtsauffassung des FG Münster

Soweit das FG Münster in seinen Urteilen vom 27.11.2013, 11 K 3468/11 E (EFG 2014, S. 341, betreffend eine Limited englischen Rechts) und vom 6.12.2016, 7 K 3225/13 E (EFG 2017, S. 129, betreffend eine nach dem Recht von Nevada gegründete "Inc.") auf das ins Handelsregister eingetragene "authorized capital" abgestellt (und die geltend gemachten Verluste mangels relevanter Beteiligung nicht berücksichtigt) hat, folgt der BFH nicht dieser Auffassung. Denn sie berücksichtigt nicht, dass das "authorized capital" keine Aussagekraft zur Höhe des tatsächlichen Kapitals der Gesellschaft haben muss und daher keine taugliche Bezugsgröße für die Beurteilung der Höhe der Kapitalbeteiligung des veräußernden Gesellschafters sein kann. Zudem entstünden (jedenfalls in einer Gewinnsituation) Besteuerungslücken, wenn es in der Hand der Gesellschaft läge, allein durch die Erhöhung des "authorized capitals" die Kapitalbeteiligung unter die Relevanzgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu drücken.

BFH, Urteil v. 14.2.2023, IX R 23/21, veröffentlicht am 6.4.2023

Alle am 6.4.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen