Geltung der gleichen Grundsätze: Die Ausführungen unter III. sollten auch dann gelten, wenn der Leistungsempfänger mit der Rechnung des Leistenden keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Es erfolgt dann zwar keine Belastung der wirtschaftlichen Tätigkeiten mit Zinsen gem. § 233a ff. AO, der Leistungsempfänger ist aber gleichwohl wirtschaftlich belastet.

Wirtschaftliche Belastung des Leistungsempfängers: Er musste nämlich dem Leistenden den Betrag der MwSt zahlen. Diesen Betrag musste er entweder finanzieren, d.h. sich das Geld am Kapitalmarkt gegen Zahlung von Zinsen verschaffen, oder der Betrag stand ihm nicht mehr als Kapital zur Verfügung, konnte also nicht mehr zur Erzielung von Erträgen eingesetzt werden.

Wirtschaftliche Begünstigung des Fiskus: Der Fiskus hat hingegen einen Steuerbetrag vereinnahmt, der ihm eigentlich nicht zustand und der deswegen von den Steuerpflichtigen auch korrigiert werden kann. Der Fiskus hat also in dieser Höhe den Aufwand für die Finanzierung entsprechender finanzieller Ressourcen gespart.

Ausgleich: Wird nun durch die Steuerkorrektur der "richtige" Zustand hergestellt, entspricht es dem Prinzip der Neutralität, dass der Fiskus den Zinsvorteil, den er aufgrund der Vereinnahmung des fehlerhaften Steuerbetrages erzielt hat, herausgibt. Dies erfolgt durch die Verzinsung bei rückwirkender Korrektur der 14c-Steuer. Der Leistende erhält also Zinsen und gibt sie an den Leistungsempfänger weiter.[89]

Vgl. BFH ...: Dies berücksichtigt insbesondere, dass auch der BFH die zivilrechtlichen Ansprüche zwischen den Parteien bzw. Liquiditätsvor- und -nachteile der Beteiligten als relevant für die mehrwertsteuerliche Beurteilung ansieht.[90]

... und BVerfG: Vergleichbare Erwägungen hat übrigens auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 8.7.2021 den Ausführungen zu den Zinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO zugrunde gelegt. Es stellte fest, Steuerpflichtige hätten bei diesen die Option, die Steuerschuld zu tilgen und sich die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu beschaffen.[91] Beschaffung und Verausgabung der Mittel, die für Steuerzahlungen bzw. Zinsaufwand eingesetzt werden, stehen also auch nach Ansicht des Verfassungsgerichts in einer für die Steuergesetzgebung beachtlichen Beziehung.

Insbesondere bei marktgerechten Zinsen: Geht man davon aus, dass die Höhe der Zinsen gem. § 233a AO den Kapitalmarktzinsen entsprechen würde – was ihrem Zweck entspräche, Liquiditätsvor- bzw. -nachteile der Steuerpflichtigen auszugleichen[92] (daher sind sie auch ab 2019 anzupassen[93]) – müssten die Zinsen, die die Finanzbehörde an den Leistenden zahlt und die dieser deswegen an den nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger weiterleitet, den Zinsen entsprechen, die der Leistungsempfänger aufgewendet hat, um den an den Leistenden gezahlten Steuerbetrag zu finanzieren, bzw. die dem Leistungsempfänger entgangen sind, weil er den Betrag nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen einsetzen konnte. Die Neutralität wäre gewährleistet.[94]

[89] Kann der Leistungsempfänger diesen Anspruch nicht mehr durchsetzen, hat er gem. EuGH v. 15.3.2007 – C-35/05 – Reemtsma, UR 2007, 343, einen direkten Anspruch auf Zahlung von Zinsen gegen den Fiskus; vgl. Fn. 57.
[90] Vgl. z.B. oben III.7. und III.9.
[91] Vgl. BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 Rz. 243.
[92] Vgl. z.B. Koenig/Koenig, 4. Aufl. 2021, AO § 233a Rz. 1, mit Verweis auf BT-Drucks. 8/1410, 4. Ebenso BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, u.a. in Rz. 180.
[93] Vgl. BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17.
[94] Dies berücksichtigte auch der BFH in BFH v. 26.9.2019 – V R 13/18, UR 2020, 75 Rz. 17.

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