Unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer

Die Finanzverwaltung ändert ihre Rechtsauffassung zum unrichtig ausgewiesenen Steuerbetrag. Eine zu hoch in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer wird danach nicht mehr in allen Fällen geschuldet.

Weist ein Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als er eigentlich schuldet, muss er auch den überhöht ausgewiesenen Steuerbetrag an die Finanzverwaltung zahlen. Diese in § 14c UStG umgesetzte Regelung wurde in Deutschland bisher streng ausgelegt. Nachdem der EuGH eine Steuerschuld zumindest in den Fällen verneint hatte, in denen der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, lockert die Finanzverwaltung auch in Deutschland die Regelungen zum unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag.

Die rechtliche Problematik

Führt ein Unternehmer im Inland eine Leistung steuerbar und steuerpflichtig aus, entsteht eine Umsatzsteuer aufgrund der von ihm erbrachten Leistung. Weist der Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als er für seine Leistung schuldet, muss er auch den überhöht ausgewiesenen Betrag an die Finanzverwaltung zahlen (unrichtiger Steuerausweis, § 14c Abs. 1 UStG).

Bei einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kann der Unternehmer den Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen. Typische Fälle eines unrichtigen Steuerausweises sind der Irrtum über den anzuwendenden Steuersatz, das Nichterkennen einer Steuerbefreiung oder der Irrtum über den Ort der ausgeführten Leistung.

Hinweis: Ein unrichtig in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag kann auch bei einer Kleinbetragsrechnung § 33 UStDV (eine Kleinbetragsrechnung liegt bis zu einem Gesamtbetrag von 250 EUR vor) durch die Angabe des Steuersatzes vorliegen, wenn dieser zu hoch angegeben ist.

Neben dem unrichtigen Steuerausweis kennt das nationale Umsatzsteuerrecht auch noch den unberechtigten Steuerausweis (§ 14c Abs. 2 UStG). Ein unberechtigt ausgewiesener Steuerbetrag liegt insbesondere dann vor, wenn ein Nichtunternehmer oder ein Kleinunternehmer in einer Abrechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist oder wenn ein Unternehmer für eine gar nicht ausgeführte Leistung mit gesondert ausgewiesenem Steuerbetrag abrechnet ("Schein- oder Gefälligkeitsrechnung").

Hinweis: Die nationale Unterscheidung in den unrichtigen und den unberechtigten Steuerausweis war nur noch für die Art der Berichtigung des überhöhten Steuerausweises von Bedeutung. Bei einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kann eine Berichtigung ohne Einbeziehung der Finanzverwaltung gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen, während bei einem unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG die Berichtigung unter Einbeziehung der Finanzverwaltung erfolgen muss und diese nur erfolgen darf, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt.

Die Regelungen des § 14c UStG basieren unionsrechtlich auf Art. 203 MwStSystRL, der aber - anders als national umgesetzt-– keine Unterscheidung vornimmt und lediglich feststellt, dass die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.

EuGH hat zu Rechnungen an einen Nichtunternehmer entschieden

Der EuGH hatte sich in einer richtungsweisenden (österreichischen) Entscheidung mit der Steuerschuld und der Berichtigungsmöglichkeit eines überhöhten Steuerausweises befassen müssen (EuGH Urteil vom 08.12.2022 - C-378/21 (P-GmbH), BFH/NV 2023 S. 365). In dem Fall hatte ein Unternehmer, der nachweisbar Leistungen zum ermäßigten Steuersatz ausführte, in tausendfach ausgestellten Kleinbetragsrechnungen den Regelsteuersatz angegeben. Von dem vorlegenden Gericht war weiterhin festgestellt worden, dass aufgrund der Art der ausgeführten Leistungen eine Leistungserbringung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer auszuschließen war.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung - ohne auf die Möglichkeiten der Berichtigung von Kleinbetragsrechnungen eingehen zu müssen - in diesem Fall festgestellt, dass eine Steuerschuld des leistenden Unternehmers für den überhöht ausgewiesenen Steuerbetrag ausscheidet, da bei der Leistungserbringung an Nichtunternehmer keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt.

Hinweis: Der BFH hatte noch 2018 eindeutig festgestellt, dass die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an Nichtunternehmer entsteht (BFH Urteil vom 13.12.2018 - V R 4/18, BFH/NV 2019 S., 369).

Die neue Verwaltungsanweisung des BMF

Die Finanzverwaltung erläutert im neuen BMF-Schreiben zuerst die Grundsätze für den unrichtigen und den unberechtigten Steuerausweis, bevor die Entscheidung des EuGH dargestellt wird. Im Anschluss daran ergänzt die Finanzverwaltung die bisher in Abschn. 14c.1 und Abschn. 14c.2 UStAE dargestellten Rechtsfolgen eines unrichtigen und unberechtigten Steuerausweises. Darüber hinaus werden an weiteren Stellen des UStAE Präzisierungen vorgenommen, damit die Aussagen nicht im Widerspruch zu den neuen Grundaussagen stehen.

 Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH

Die Finanzverwaltung wendet die Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH (vorerst) nur für die Fälle an, in denen der leistende Unternehmer eine Leistung tatsächlich ausführt und nachweisbar einem Nichtunternehmer gegenüber die Leistung unter Ausweis eines zu hohen Steuerbetrags erbracht hat. In diesem Fall wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer grundsätzlich nicht geschuldet, sodass keine Berichtigung der Rechnung zu erfolgen hat. Voraussetzungen dafür sind nach den Feststellungen der Finanzverwaltung:

  • Der Unternehmer hat eine Leistung tatsächlich ausgeführt und
  • der Leistungsempfänger ist Endverbraucher (Nichtunternehmer oder Unternehmer, der die Leistung in seinem nichtunternehmerischen Bereich empfängt).

Hinweis: Ob ein zu hoch ausgewiesener Steuerbetrag (unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer) vorliegt, ist durch die Finanzbehörde nachzuweisen. Die Tatsache, dass der Leistungsempfänger ein "Endverbraucher" ist, stellt eine den Steueranspruch einschränkende Tatsache dar, die durch den leistenden Unternehmer plausibel zu machen ist.

Unrichtiger Steuerausweis in Mischfällen

Wird die Leistung nicht nachweisbar an einen Endverbraucher ausgeführt, sondern unter Umständen auch an Unternehmer für dessen Unternehmen ("Mischfälle"), kann keine Schätzung der betroffenen Umsätze oder des Anteils der an Endverbraucher ausgestellten Rechnungen, keine Wahrscheinlichkeitsberechnung oder Ähnliches erfolgen. Eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer wird dann nur insoweit nicht nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet, wie die Rechnungserteilung nachweisbar an Nichtunternehmer erfolgte.

Wichtig: Die Finanzverwaltung lässt aber zu, dass bei der Beurteilung, ob die Leistungsempfänger als Endverbraucher gehandelt haben, auch die Art der ausgeführten Leistungen herangezogen werden kann. Bei den sonstigen Leistungen, die typischerweise nicht für unternehmerische Zwecke verwendet werden, verweist die Finanzverwaltung auf die Zusammenstellung in Abschn. 3a.2 Abs. 11a UStAE. Aber auch in diesen Fällen wird die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet, wenn die Leistung im Einzelfall an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.

Unberechtigter Steuerausweis

Für den unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG sollen diese Grundsätze – bis auf einen von der Finanzverwaltung ausdrücklich ausgenommenen Sonderfall – nicht anzuwenden sein. Ausnahme ist hier lediglich die von einem Kleinunternehmer ausgeführte Leistung, der in einer Rechnung gegenüber einem Endverbraucher eine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat. Auch in diesem Fall wird die Umsatzsteuer nicht geschuldet, sodass die Rechnung nicht zu berichtigen ist.

Konsequenzen für die Praxis

Unionsrechtlich ist die Frage des Steuerausweises in einer Rechnung kurz und knapp geregelt: Jeder, der in einer Rechnung eine Umsatzsteuer ausweist, schuldet diese. In Deutschland ist dies ausführlicher und dadurch auch komplizierter geregelt. Dabei ist die Unterscheidung in den unrichtig und den unberechtigt ausgewiesenen Steuerbetrag nur noch wegen der unterschiedlichen Berichtigungsmöglichkeiten von Bedeutung. Aufgrund der Vorgaben aus der Rechtsprechung des EuGH müssen die bisherigen nationalen Regelungen unionsrechtskonform eingeschränkt werden.

Positiv ist zu bewerten, dass die Finanzverwaltung sich relativ schnell zu dieser seit Dezember 2022 relevanten Frage geäußert hat. Obwohl es sich um ein Verfahren aus Österreich gehandelt hat, sind die ersten Verfahren (FG Köln, Urteil v. 25.7.2023, 8 K 2452/21; Revision anhängig beim BFH unter V R 16/2) mit Bezug auf die Entscheidung des EuGH auch in Deutschland anhängig. Allerdings setzt die Finanzverwaltung die Entscheidung des EuGH erst einmal nur insoweit um, wie es aufgrund des entschiedenen Sachverhalts unausweichlich war.

Hinweis: Der Nachweis, dass der oder die Leistungsempfänger "Endverbraucher" i. S. d. Regelung ist, obliegt dem leistenden Unternehmer. Dies kann aus dem Regelungszweck abgeleitet werden. Eine schätzungsweise Aufteilung o.ä. lehnt die Finanzverwaltung ab. Dabei ist zu beachten, dass die deutsche Generalanwältin in ihrem Schlussantrag zu dem EuGH-Verfahren eine solch schätzungsweise Aufteilung offenbar für denkbar erachtet hatte (Schlussantrag der Generalanwältin Kokott v. 8.9.2022 zur Rs. C-378/219.

Übertragung der Grundsätze auf weitere Fälle?

Ob die Entscheidungsgründe des EuGH nicht auch auf weitere Fälle zu übertragen sind - z. B. Leistungen an Unternehmer für deren unternehmerischen Bereich, wenn diese nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind oder bei einem unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG - wird sich anhand der weiteren Rechtsprechung ergeben. In solchen Fällen wird es aber im Regelfall sehr schwer sein, den Ausschluss einer Gefährdung des Steueraufkommens nachzuweisen.

Tipp: In der Praxis sollten Sachverhalte weiterhin offen gehalten werden, die eine Steuerschuld für einen unrichtig oder unberechtigt ausgewiesenen Steuerbetrag auslösen und nicht von der Anwendung dieses Schreibens der Finanzverwaltung erfasst werden.

Grunsätze gelten beim unberechtigten Steuerausweis nur ausnahmsweise

Keine Anwendung soll die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen des unberechtigten Steuerausweises haben. Die Finanzverwaltung nimmt hier nur ausdrücklich die Fälle aus, in denen ein Kleinunternehmer in Abrechnungen gegenüber Endverbrauchern einen Steuerbetrag gesondert ausweist; dies gilt entsprechend auch für die Angabe eines Steuerbetrags in einer Kleinbetragsrechnung.

Diese Ausnahme ist aber wohl nicht ausreichend. Es erscheint nicht plausibel, warum in anderen Fällen eines Steuerausweises gegenüber einem Endverbraucher diese Grundsätze nicht auch gelten sollten - ausgenommen sind hier aber selbstverständlich Steuerbeträge, die aus betrügerischen Gründen ausgewiesen werden.

Warum aber eine Umsatzsteuer bei einem Steuerausweis gegenüber einem Endverbraucher geschuldet sein soll, wenn sich ein Unternehmer z. B. über die Eigenschaft eines Schadensersatzes irrt oder bei einem der Differenzbesteuerung unterliegenden Sachverhalt Umsatzsteuer gesondert ausweist, erschließt sich nicht. Bei Anwendung der Differenzbesteuerung darf eine Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen werden; geschieht dies dennoch, geht die Finanzverwaltung von einem unberechtigten Steuerausweis aus (Abschn. 25a.1 Abs. 16 UStAE).

Es wird wohl nicht die letzte Änderung sein, die die Finanzverwaltung zu dem unrichtigen und dem unberechtigten Steuerausweis veröffentlicht. Eine Anpassung der nationalen Regelungen zu § 14c Abs. 1 und Abs. 2 UStG wäre ebenfalls zu überlegen.

Zutreffende Berechnung beachten

Unabhängig von den Änderungen durch die Finanzverwaltung muss immer die zutreffende Berechnung der aufgrund der ausgeführten Leistung geschuldeten Umsatzsteuer und der unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer beachtet werden (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 5 UStAE).

Beispiel: Cateringunternehmer C liefert für eine private Hochzeitsfeier ermäßigt besteuerte Lebensmittel, weitere Leistungen führt C nicht aus. Aufgrund eines Rechtsirrtums weist er in seiner Rechnung auf einen Nettobetrag von 3.000 EUR eine Umsatzsteuer von (19 %) 570 EUR aus. Der Leistungsempfänger zahlt den angeforderten Betrag von 3.570 EUR.

Es liegt ein unrichtiger Steuerausweis aufgrund einer Rechnung an einen Endverbraucher vor. Soweit die Abrechnung nicht berichtigt wird, schuldet C für seine Leistung 7 % Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 zum UStG). Bei einem Zahlungsbetrag von 3.570 EUR sind darin 7 % Umsatzsteuer i. H. v. 233,55 EUR enthalten. Diese Umsatzsteuer schuldet C aufgrund der von ihm ausgeführten Leistung und der erhaltenen Gegenleistung. Der darüber hinausgehende Steuerbetrag (570 EUR ./. 233,55 EUR =) 336,45 EUR stellt einen unrichtigen Steuerausweis dar, der aufgrund der unionsrechtskonformen Einschränkung des § 14c Abs. 1 UStG nicht geschuldet wird.

Die Grundsätze aus dem Schreiben sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

BMF, Schreiben v. 27.2.2024, III C 2 - S 7282/19/10001 :002