Abrechnung mit Gutschrift und unberechtigter Steuerausweis
Der BFH hatte im Zusammenhang mit der Frage der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten auch zur Frage der Abrechnung mit einer Gutschrift mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer und dem unberechtigten Steuerausweis Stellung genommen (BFH, Urteil v. 27.11.2019, V R 23/19 (V R 62/17)).
Eine Gutschrift i. S. d. Umsatzsteuerrechts liegt vor, wenn nicht der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger über eine ihm gegenüber ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG).
Grundsätzlich schuldet der Aussteller eines Abrechnungspapiers eine darin gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG (unberechtigter Steuerausweis), wenn der Leistende nicht Unternehmer ist oder eine Leistung nicht ausgeführt wird. Der BFH hatte in dem zu entscheidenden Fall aber festgestellt, dass eine Gutschrift, die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt wird, einer Rechnung nicht gleichsteht und damit auch keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann (in dem Verfahren wurde die Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsrats verneint, der lediglich gegen eine tätigkeitsunabhängige Festvergütung tätig wurde).
Die Anweisung des BMF
Nachdem die Finanzverwaltung das Urteil des BFH schon i. Z. m. dem Schreiben zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten im BStBl veröffentlicht hatte (BMF, Schreiben v. 8.7.2021, BStBl 2021 I S. 919), nimmt die Finanzverwaltung jetzt auch noch zur Frage der Steuerschuld für eine in einer Gutschrift ausgewiesene Umsatzsteuer Stellung. Dabei ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu unterscheiden, ob die Gutschrift gegenüber einem Nichtunternehmer oder einem Unternehmer ausgestellt wird. Dabei ergeben sich die beiden folgenden Fälle:
- Bei Ausstellung einer Abrechnung (Gutschrift) gegenüber einem Nichtunternehmer (als Leistendem): Nach der Entscheidung des BFH steht ein als Gutschrift verwendetes Abrechnungsdokument an einen Nichtunternehmer einer Rechnung nicht gleich. Dieses Abrechnungsdokument begründet daher keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG. Ein Vorsteuerabzug aus diesem Abrechnungsdokument ist grundsätzlich für den Aussteller der Gutschrift nicht möglich. Die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG liegen nicht vor, da die abgerechnete Leistung schon nicht von einem Unternehmer ausgeführt wurde.
- Bei Ausstellung einer Abrechnung (Gutschrift) gegenüber einem Unternehmer (als Leistendem): Wird eine Gutschrift zwischen zwei Unternehmern über eine nicht erbrachte Leistung ausgestellt, steht dieses Abrechnungsdokument nach Auffassung der Finanzverwaltung einer Rechnung gleich und kann eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen. Die Entscheidung des BFH soll auf diese Fälle nicht anwendbar sein, da es nicht an der vom BFH als ausschlaggebend angesehenen Unternehmerstellung des Gutschriftempfängers mangelt (BFH, Urteil v. 27.11.2019, V R 23/19 (V R 62/17)).. Ein Vorsteuerabzug aus einem solchen Abrechnungsdokument ist aber auch nicht möglich, da keine Leistung ausgeführt wurde (Abschn. 15.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Widerspruch gegen eine zugeleitete Gutschrift
Die Finanzverwaltung äußert sich in ihrem Schreiben auch zum Widerspruch gegen eine zugeleitete Gutschrift. Widerspricht der Empfänger der ihm zugeleiteten Gutschrift, verliert die Gutschrift grundsätzlich die Wirkung einer Rechnung. Durch einen wirksamen Widerspruch des Gutschriftempfängers nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG gegen eine ihm erteilte Gutschrift liegt ab dem Besteuerungszeitraum des wirksamen Widerspruchs kein Rechnungsdokument mehr vor (Abschn. 14.3 Abs. 4 UStAE).
Dem Gutschriftsaussteller liegt somit ab diesem Zeitpunkt keine Rechnung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG vor, sodass kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist. Allerdings führt nach Auffassung der Finanzverwaltung allein ein wirksamer Widerspruch gegen eine Gutschrift aufgrund der unterschiedlichen Rechnungsbegriffe nach § 14 und § 14c UStG nicht zur Beseitigung der Steuergefährdung nach § 14c Abs. 2 UStG. Auch in diesem Fall schuldet der Gutschriftsempfänger die ausgewiesene Steuer weiterhin nach § 14c Abs. 2 UStG, bis die Steuergefährdung beseitigt worden ist.
Wichtig: Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn die Finanzverwaltung geprüft hat, dass der Leistungsempfänger (in diesem Fall der Aussteller der Gutschrift) aus dem Abrechnungsdokument keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat bzw. ein unberechtigt vorgenommener Vorsteuerabzug wieder rückgängig gemacht worden ist.
Die Finanzverwaltung stellt klar, dass eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 und § 227 AO, die dazu führt, dass dem Gutschriftaussteller die als Vorsteuer abgezogene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG weiter verbleibt, nicht dazu führt, dass die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens gegeben ist.
Konsequenzen für die Praxis
Es war notwendig, dass sich die Finanzverwaltung nach der Veröffentlichung des Urteils des BFH wegen der Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsrats im BStBl auch zur Frage der Steuerschuld bei Gutschriften äußert. Ob die Differenzierung der Finanzverwaltung in Gutschriften, die Nichtunternehmern einerseits oder Unternehmern andererseits erteilt werden, allerdings Bestand haben wird oder eher als ein Rückzugsgefecht der Finanzverwaltung anzusehen ist, wird die Zeit zeigen. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG regelt ausdrücklich, dass eine Gutschrift nur dann die Wirkung einer Rechnung erlangt, wenn sie über eine Lieferung oder sonstige Leistung eines Unternehmers ausgestellt wird. Wird von einem Unternehmer keine Leistung ausgeführt, kann insoweit eine "Rechnung" ebenso wenig vorliegen, wie wenn der Leistende kein Unternehmer ist.
Auch über die zweite wesentliche Aussage der Finanzverwaltung wird sicher noch zu diskutieren sein. Warum bei einem Widerspruch gegen eine reguläre Gutschrift zwar – wie im Gesetz auch geregelt – die Gutschrift ihre Wirkung als Rechnung verliert, dann aber noch eine Gefährdung des Steueraufkommens i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG vorliegen soll, erschließt sich nicht aus dem Regelungszweck des Gesetzes. Da insoweit der Aussteller der Gutschrift nicht der "Verursacher" des Steuerausweises ist und sich auch nicht eigenständig durch einen Widerspruch aus der Steuerschuld befreien kann, verbleibt bei Zustimmung über Abrechnung mittels Gutschrift bei dem Gutschriftsempfänger ein unkalkulierbares Risiko. Dies scheint vor dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG nicht zutreffend.
Die Feststellungen der Finanzverwaltung sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
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