Rz. 9

Nach § 256 Abs. 1 S. 1 BewG sind Liegenschaftszinssätze die Zinssätze, mit denen der Wert von Grundstücken abhängig von der Grundstücksart durchschnittlich und marktüblich verzinst wird. Diese Begriffsbestimmung entspricht der Definition der Liegenschaftszinssätze in der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs.[1]

Mit der vorstehenden – einfachen – gesetzlichen Definition wird der Liegenschaftszinssatz gleichwohl auch als der Zinssatz definiert, mit dem sich das im Verkehrswert des Grundstücks gebundene Kapital verzinst, wobei sich die Verzinsung – anders als bei Geldanlagen – nicht nach einem vereinbarten Zinssatz, sondern nach der aus der Liegenschaft (Grundstück) marktüblich erzielbaren Rendite (Erträge) im Verhältnis zum Verkehrswert der Liegenschaft bemisst.[2]

Mit den Liegenschaftszinssätzen wird die Ertragswertermittlung an die allgemeinen Wertverhältnisse am Grundstücksmarkt und damit an den Verkehrswert des Grundstücks angeglichen (Marktanpassung).[3] Da die grundstücksartbezogenen Liegenschaftszinssätze von den Gutachterausschüssen aus realen Grundstückstransaktionen abgeleitet werden (Rz. 9), erfassen sie die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der allgemeinen Ertrags- und Wertverhältnisse[4] auf dem Grundstücksmarkt.[5] Entsprechend diesen Erwartungen dynamisieren die Liegenschaftszinssätze die angesetzten Anfangsrenditen. Hierdurch gewährleisten die Liegenschaftszinssätze, dass die Wertermittlung nicht nur stichtagsbezogen, sondern auch in die Zukunft gerichtet erfolgt (§ 252 BewG Rz. 12).

Besondere Ertragsverhältnisse, die auf wohnungs- und mietrechtliche Bindungen zurückzuführen sind, bleiben als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale (boG) i. S. d. § 8 Abs. 3 ImmoWertV unberücksichtigt.[6] Bei der Ableitung der Liegenschaftszinssätze durch die Gutachterausschüsse sind entweder nur Kaufpreise ohne boG oder um boG bereinigte Kaufpreise heranzuziehen (Rz. 10 und § 252 BewG Rz. 23).[7]

 

Rz. 10

Die Ableitung der Liegenschaftszinssätze ist nach § 193 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BauGB eine Aufgabe der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (§§ 192ff. BauGB).

Die Liegenschaftszinssätze sind gem. § 21 Abs. 2 S. 2 ImmoWertV nach den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens (§§ 2734 ImmoWertV) auf der Grundlage geeigneter Kaufpreise und der ihnen entsprechenden Reinerträge zu ermitteln.

Nach § 195 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück gegen Entgelt, auch im Wege des Tausches, zu übertragen oder ein Erbbaurecht erstmals oder erneut zu bestellen, von der beurkundenden Stelle in Abschrift dem Gutachterausschuss zur Führung der Kaufpreissammlung zu übersenden.

In der Praxis werden die Liegenschaftszinssätze von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte durch Rückbewertung (Umkehrung des Ertragswertmodells) einer Vielzahl von geeigneten Kauffällen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs, gegliedert nach Grundstücksarten (Teilmärkten am Grundstücksmarkt), ermittelt. Die Kaufpreise werden von den Gutachterausschüssen hinsichtlich ggf. vorhandener besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale i. S. v. § 8 Abs. 3 ImmoWertV bereinigt (§ 252 BewG Rz. 23).

Grundlage für die Ableitung der Liegenschaftszinssätze durch die Gutachterausschüsse ist die Formel des Ertragswertmodells. Die für die Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes umgestellte Formel lautet:

 
pi = ( RE q – 1 x (KP – BW) +/– boG )
KP +/– boG qn – 1 KP +/– boG

wobei

 
RE = Reinertrag des Grundstücks i
KP = Kaufpreis für das Grundstück i
BW = Bodenwert des Grundstücks i
q = 1 + pi
pi = Liegenschaftszinssatz (abgeleitet aus KPi)
n = Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen
boG = besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale

In der Gleichung ist aufgrund q = 1 + pi der Liegenschaftszinssatz (pi) noch selbst enthalten. Der Zinssatz kann bei der Umrechnung der Ertragswertformel nicht vollständig isoliert werden. Daher muss die Berechnung iterativ erfolgen, d. h. sich schrittweise in wiederholten Rechengängen der exakten Lösung annähern, wobei als erste Näherung gilt:

Das Korrekturglied wird, je nach Genauigkeitsanforderungen und Iterationsfortschritt, in einem oder mehreren Iterationsschritten berechnet. Meist kann die Iteration nach der dritten Berechnung abgeschlossen werden, um eine hinreichende Genauigkeit zu erreichen.

Die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze werden i. d. R. in den Grundstückmarktberichten der Gutachterausschüsse veröffentlicht.

 

Rz. 11

einstweilen frei

[1] S. Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 256 Abs. 1 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 115, sowie § 21 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV und vormals § 14 Abs. 3 S. 1 ImmoWertV 2010.
[2] S. Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 256 Abs. 1 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 115, sowie Kleiber, in Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Auflage 2020, § 14 ImmoWertV 2010, Rz. 111, 1293, § 7 Abs. 1 Nr. 2 ImmoWertV 2021.
[3] S. Kleibe...

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