Nach Ansicht mancher FG kein Anspruch im dt. Recht: Bisweilen gab es hierbei überraschende Urteile. So etwa als einzelne Gerichte entschieden, es finde sich im nationalen Recht keine Rechtsgrundlage für einen solchen Erstattungsanspruch, so dass er – zumindest für Inlandssachverhalte – abzulehnen sei.[4]

Unionsrechtlicher Anspruch: Die Gerichte übersahen dabei allerdings, dass der Anspruch als solcher sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ergibt.[5] Die Mitgliedstaaten sind zwar im Grunde genommen verpflichtet, entsprechende Regelungen im nationalen Recht vorzusehen (Umsetzung). Tun sie das nicht, heißt das aber nicht, dass der Anspruch nicht besteht. Die Steuerpflichtigen können sich vielmehr zu ihren Gunsten unmittelbar auf das Unionsrecht berufen.[6]

Widerspruch zur innerstaatlichen Rechtsordnung: Wenn außerdem auch darauf hingewiesen wurde, Reemtsma-Ansprüche stünden in Widerspruch zur innerstaatlichen Rechtsordnung,[7] machte dies lediglich die Fragen deutlich, die sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber seit 15 Jahren nicht tätig geworden ist.[8] Unter anderem gerade deswegen muss die Finanzverwaltung (der Gesetzgeber) die Ansprüche gesetzlich regeln – und zwar so, dass sie mit der innerstaatlichen Rechtsordnung kompatibel sind. Eine eventuelle Inkompatibilität wäre nicht die Schuld des Reemtsma-Anspruchs, sondern der mangelnden Umsetzung im nationalen Recht und des Abgleichs mit anderen Vorschriften (z.B. mit dem insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung).[9] Bei einer Umsetzung im nationalen Recht wäre allerdings zu beachten, dass die nationalen Vorschriften nicht einen unionsrechtlich begründeten (Reemtsma-)Anspruch einschränken können.[10]

[4] Vgl. FG des Saarlandes v. 24.4.2013 – 1 K 1156/12, juris Rz. 37 ff.; FG Münster v. 3.9.2014 – 6 K 939/11 AO, juris Rz. 37 ff. Auch bereits mit Verweis auf die Anspruchskonkurrenz zwischen der Korrektur nach § 14c UStG und dem Reemtsma-Anspruch (s. unten IV.).
[5] Die GAin hatte den Anspruch sogar in erster Linie für Inlandssachverhalte bejaht und erst in zweiter Linie festgestellt, ein solcher Anspruch müsse "auch einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Abnehmer zur Verfügung stehen"; EuGH, Schlussanträge der GAin Sharpston v. 8.6.2006 – C-35/05 – Reemtsma Rz. 92.
[6] Eingehend hierzu Meyer-Burow/Connemann, UStB 2015, 318 (321). S. auch Sterzinger, UStB 2015, 193 (194); von Streit, MwStR 2022, 302 (307). Zur unmittelbaren Berufung auf die allgemeinen Grundsätze s. EuGH v. 10.4.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer plc, UR 2008, 592 Rz. 34; EuGH v. 11.4.2013 – C-138/12 – Rusedespred OOD, UR 2013, 432 Rz. 36 ff. S. auch von Streit/Streit, UStB 2017, 174 (175).
[7] Vgl. FG des Saarlandes v. 24.4.2013 – 1 K 1156/12, juris Rz. 48. Zu möglichen Widersprüchen zum Insolvenzrecht s. auch Marchal, MwStR 2015, 25 (27).
[8] S. unten I.3.
[9] Auch bei den Verfahren der Steuerberichtigung gem. § 14c UStG ist im Übrigen die Kompatibilität z.B. mit den insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht abschließend geklärt. Kein FG hat aber deswegen in Zweifel gezogen, dass ein Steuerpflichtiger die Steuern i.S.d. § 14c UStG berichtigen dürfe.
[10] Vgl. auch Sterzinger, UStB 2015, 193 (197); Deimel, EFG 2015, 535.

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