Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Umsatzsteuerzahlungen bei überhöhten Rechnungsausweis

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Leistungsempfänger, der einen überhöhten Umsatzsteuerbetrag an einen Rechnungsaussteller geleistet, die insoweit zu viel erstattete Vorsteuer an das FA zurückgezahlt hat und der gegen den Rechnungsaussteller einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch hat, hat keinen Direktanspruch gegen des Fiskus auf Erstattung des überhöhten Umsatzsteuerbetrags, wenn der Rechungsaussteller zwischenzeitlich insolvent ist und es dem Leistungsempfänger daher unmöglich ist, die zu viel gezahlte Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller zurückzuerhalten.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2; UStG § 17; AO § 218 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2015; Aktenzeichen VII R 42/14)

BFH (Urteil vom 30.06.2015; Aktenzeichen VII R 42/14)

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend die Erstattung von Umsatzsteuerzahlungen.

Die Klägerin, die ihr Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreibt, erhielt in den Jahren 2001 bis 2006 von den Firmen T GmbH, I GmbH, A GmbH, P-IT GmbH, U AG und D Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Auf der Grundlage dieser Eingangsrechnungen erstattete der Beklagte Vorsteuerbeträge in Höhe von 73.942,48 EUR an die Klägerin, die sich wie folgt zusammensetzen:

T GmbH:

Rechnung vom 09.10.2001

16.272,00 DM

Rechnung vom 10.10.2001

50.946,40 DM

Rechnung vom 18.12.2001

2.640,00 DM

Rechnung vom 18.12.2001

5.424,00 DM

75.282,40 DM

entspricht:

38.491,28 EUR

Rechnung vom 20.11.2003

3.886,08 EUR

Rechnung vom 12.12.2003

2.428,80 EUR

Rechnung vom 05.01.2004

1.898,88 EUR

I GmbH:

Rechnung vom 19.02.2005

4.396,32 EUR

A GmbH:

Rechnung vom 08.04.2005

2.608,00 EUR

Rechnung vom 30.05.2005

5.400,00 EUR

P-IT GmbH:

Rechnung vom 31.05.2005

5.002,40 EUR

U AG:

Rechnung vom 01.06.2005

2.790,72 EUR

D:

Rechnung vom 20.12.2006

7.040,00 EUR

Gesamt:

73.942,48 EUR

Eine bei der Klägerin für die Jahre 2001 bis 2006 durchgeführte Steuerfahndungsprüfung, die mit Prüfungsbericht vom 16.11.2007 abschloss, ergab, dass den Eingangsrechnungen der vorgenannten Firmen keine entsprechenden Leistungen zu Grunde lagen. Der Vorsteuerabzug war wegen der unrichtigen Leistungsbezeichnung daher rückgängig zu machen und die Klägerin zahlte in der Folge die zunächst als Vorsteuern an sie erstatteten Beträge in Höhe von 73.789,09 EUR an den Beklagten zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Auszüge aus dem Steuerfahndungsbericht vom 16.11.2007, insbesondere auf Tz. 7 und Anlage 1, verwiesen.

Am 27.01.2010 begehrte die Klägerin die Erstattung von Umsatzsteuerbeträgen in Höhe von 62.352,77 EUR vom Beklagten. Der geltend gemachte Erstattungsbetrag setzt sich aus den Umsatzsteuerbeträgen zusammen, die die Klägerin – ausweislich der Anlage 1 zum Steuerfahndungsbericht vom 16.11.2007 – in den Jahren 2001 bis 2005 an die Firmen T GmbH, A GmbH, P-IT GmbH und U AG geleistet hatte. Von den vorbenannten Rechnungsausstellern sei nach den Ausführungen der Klägerin keine Rückerstattung der Umsatzsteuer zu erlangen gewesen.

Der Beklagte teilte der Klägerin mit Verfügung vom 09.03.2010, auf die verwiesen wird, mit, er sehe keine Möglichkeit, die Umsatzsteuerbeträge an die Klägerin zu erstatten. Eine Rechtsbehelfsbelehrung fügte er dem Schreiben nicht bei. Als Betreff benannte der Beklagte die „Prüfung einer Umsatzsteuererstattung nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)”.

Hiergegen legte die Klägerin am 26.03.2010 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung von 16.02.2011 als unbegründet zurückwies.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, sie habe analog § 218 Abs. 2 Satz 2 AO in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erlass eines Erstattungsbescheides, der die streitigen Umsatzsteuerbeträge als Guthaben ausweise.

Grundsätzlich gewähre § 37 Abs. 2 AO zwar nur den unmittelbar gegenüber der Steuerbehörde Leistenden, hier den Rechnungsausstellern, einen Erstattungsanspruch. Vorliegend habe jedoch ausnahmsweise auch die Klägerin als Rechnungsempfängerin unmittelbar einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten erlangt. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stehe einem (gutgläubigen) Leistungsempfänger ein unmittelbarer Erstattungsanspruch dann zu, wenn der leistende Unternehmer nach entsprechender Aufforderung durch den Rechnungsempfänger entweder nicht bereit oder nicht in der Lage sei, den zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuerbetrag zurückzuerstatten. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Dienstleistungserbringer – wie im Streitfall – zahlungsunfähig oder unwillig sei.

Insoweit trägt die Klägerin vor, sie habe sich, nachdem der Vorsteuerabzug aufgrund des Ergebnisses der Steuerfahndungsprüfung von ihr vollständig rückgängig gemacht worden sei, an die jeweiligen Rechnungsaussteller gewandt und um Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer gebeten. Auf dieses Erstattungsverlangen hätten zunächst jedoch led...

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