EuGH-Vorlage zur Reichweite des sog. "Reemtsma-Anspruchs"

Kann sich aus dem "Reemtsma-Urteil" des EuGH ein Direktanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen das Finanzamt ergeben, wenn der Vorlieferant zu hoch Umsatzsteuer ausgewiesen hat? Diese Frage hat das FG Münster dem EuGH vorgelegt.

Vor dem FG Münster wurde folgender Sachverhalt verhandelt: Der Kläger erwarb von einem Lieferanten Holz. Der Lieferant berechnete 19 % Umsatzsteuer. Der Kläger lieferte das Holz an seine Kunden zum ermäßigten Steuersatz von 7 % weiter.

Zu viel Umsatzsteuer bei den Eingangsleistungen

Das FG Münster bestätigte, dass der Kläger seine Holzlieferungen zurecht dem ermäßigten Steuersatz unterworfen hatte. Allerdings hätten auch die Eingangsleistungen seiner Lieferanten lediglich mit 7 % besteuert werden müssen. Das Finanzamt kürzte daraufhin den Vorsteuerabzug des Klägers und forderte die Differenzbeträge von ihm zurück.

Der Kläger bat seine Lieferanten, ihre Rechnungen zu berichtigen und ihm die Differenz auszuzahlen. Dies hatte jedoch keinen Erfolg, die Lieferanten machten die zivilrechtliche Einrede der Verjährung geltend. Der Kläger stellte beim Finanzamt den Antrag, die Differenzbeträge aus Billigkeitsgründen zu erlassen und berief sich hierzu auf das "Reemtsma-Urteil" des EuGH (vom 15.03.2007 - C-35/05). Das Finanzamt lehnte den Antrag jedoch ab und begründete dies damit, dass der Kläger selbst für die Situation verantwortlich sei, denn er habe die Ware nicht mit einem veränderten Steuersatz weiterveräußern dürfen.

Verfahren ausgesetzt und EuGH-Vorlage

Das FG Münster hat das daraufhin vom Kläger angestrengte Klageverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob unter den Umständen des Streitfalls ein Direktanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen das Finanzamt in Betracht kommt.

Das Gericht weist darauf hin, dass es unionsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, dass bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer der leistende Unternehmer einen Erstattungsanspruch gegen die Finanzbehörde hat und der Leistungsempfänger auf den Zivilrechtsweg gegen den Leistenden verwiesen wird. Allerdings kann nach dem "Reemtsma-Urteil" (und weiteren Folgeentscheidungen des EuGH) aber wegen des Grundsatzes der Effektivität ausnahmsweise ein unmittelbarer Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers gegen die Finanzbehörde bestehen, wenn die Erstattung "unmöglich oder übermäßig erschwert wird".

FG Münster Beschluss vom 07.05.2020 - 15 K 2327/20 AO, veröffentlicht mit dem Juli-Newsletter 2022 des FG Münster

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