Rn. 710

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der doppelten Haushaltsführung ist, dass der Ort des eigenen Hausstands den Lebensmittelpunkt des ArbN bildet. Dieses Tatbestandsmerkmal ist verknüpft mit der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung: Falls der Lebensmittelpunkt des ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte liegt, kann die doppelte Haushaltsführung nicht beruflich veranlasst sein.

Die Feststellungslast für die Umstände, die einen Lebensmittelpunkt an einem anderen Ort als dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte begründen, trägt der StPfl (FG BBg v 07.10.2010, 5 K 5230/07, EFG 2011, 435).

da) Lebensmittelpunkt bei Verheirateten

 

Rn. 711

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Bei einem verheirateten/verpartnerten, in intakter Ehe/Partnerschaft lebenden ArbN bildet regelmäßig der Familienwohnsitz seinen Lebensmittelpunkt (BFH v 10.11.1978, VI R 21/76, BStBl II 1979, 219; BFH v 03.10.1985, VI R 168/84, BStBl II 1986, 95; BFH v 04.05.2011, VI B 152/10, BFH/NV 2011, 1347). Anders zu beurteilen ist der Fall, dass die Ehegatten sich entfremdet haben oder der ArbN mit einem neuen Partner am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zusammenlebt (BFH v 25.03.1988, VI R 32/85, BStBl II 1988, 582; BFH v 25.03.1988, VI R 209/84, BFH/NV 1988, 706).

Bei beiderseits berufstätigen Eheleuten, die eine gemeinsame Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte unterhalten, ist unter denselben Voraussetzungen wie bei ledigen ArbN ein Lebensmittelpunkt am Heimatort anzunehmen (s Rn 712). Ist die Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte des ArbN familiengerecht eingerichtet, verlagert sich im Regelfall der Mittelpunkt der Lebensinteressen dorthin (BFH v 04.05.2011, VI B 152/10, BFH/NV 2011, 1347; BFH v 01.02.2012, VI B 88/11, BFH/NV 2012, 945). Der StPfl kann jedoch Umstände des Einzelfalls darlegen, die für einen Lebensmittelpunkt der beiderseits berufstätigen Ehegatten außerhalb des Orts der ersten Tätigkeitsstätte sprechen (BFH v 01.10.2019, VIII R 29/16, BFH/NV 2020, 349).

db) Lebensmittelpunkt bei Ledigen

 

Rn. 712

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Bei ledigen StPfl bildet die Frage nach dem Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen einen Schwerpunkt bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung. Vorzunehmen ist eine Abwägung und Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BFH v 27.05.2009, VI B 162/08, BFH/NV 2009, 1435). Hat das FG eine solche Gesamtwürdigung der Verhältnisse vorgenommen, ist die Frage, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, nicht mit der Revision angreifbar (BFH v 04.03.2009, VI B 105/08, BFH/NV 2009, 1140).

 

Rn. 713

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Der StPfl hat seinen Lebensmittelpunkt an dem Ort, an dem er die engeren persönlichen Beziehungen unterhält. Dabei kann der StPfl, gleich ob verheiratet/verpartnert oder ledig, nach der Rspr des BFH nur einen einzigen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben, auch wenn er mehrere Wohnungen innehat (BFH v 04.05.2011, VI B 152/10, BFH/NV 2011, 1347). Die persönlichen Beziehungen kommen zum Ausdruck in Bindungen an Eltern, Verlobte, Freundes- oder Bekanntenkreis, aber auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten (R 9.10 Abs 1 S 7 LStR 2015). Diese Beziehungen muss der StPfl durch regelmäßige Besuche am Heimatort pflegen. Der BFH verwendet die Formel, dass sich der StPfl im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf Urlaubsfahrten in der Mittelpunktswohnung aufhalten müsse (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180). In diesem Urteil hat der BFH auch ausgesprochen, dass eine Zahl von lediglich 23 Heimfahrten nur ausnahmsweise im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls als ausreichend zu erachten sei, und darauf hingewiesen, dass eine derart geringe Zahl von Heimfahrten über mehrere Jahre hinweg gegen die Annahme einer doppelten Haushaltsführung sprechen würde. Die FinVerw geht demgegenüber schematischer vor. Nach R 9.10 Abs 1 S 8 LStR 2015 sei davon auszugehen, dass sich am Ort des eigenen Hausstands der Lebensmittelpunkt befinde, wenn der ArbN diese Wohnung im Durchschnitt zweimal monatlich aufsucht.

 

Rn. 714

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Als Indizien für den Ort des Lebensmittelpunkts zieht die Rspr Größe und Ausstattung der Wohnungen, Dauer des Aufenthalts am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten heran (BFH v 02.12.2009, VI B 124/08, BFH/NV 2010, 638; BFH v 08.10.2014, VIR 16/14, BStBl II 2015, 511). Ggf kann auch ein Vergleich der Lage der Wohnungen als Indiz bei der Beurteilung des Lebensmittelpunkts von Bedeutung sein (BFH v 18.12.2017, VI B 66/17, BFH/NV 2018, 430).

Entspricht die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte der Heimatwohnung oder ist sie sogar größer und komfortabler, lässt dieses darauf schließen, dass der Lebensmittelpunkt sich im Bereich der Arbeitsstelle befindet (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180; FG Münster v 17.06.1996, 8 K 3355/95 E, EFG 1996, 1155; FG BdW v 12.12.1996, 6 K 54/91, EFG 1997, 867; FG Mchn v 29.04.1...

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