Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung; Verfahrensmängel

 

Leitsatz (NV)

Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist. Ob der Hausstand der Wohnung am Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 21.10.2008; Aktenzeichen 9 K 1372/06)

 

Gründe

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, denn sie ist jedenfalls unbegründet, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zukommt noch ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). Davon ist hier auszugehen.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645), die nach § 52 Abs. 23b EStG i.d.F. des StÄndG 2003 auch im Streitjahr anzuwenden ist, gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Eine doppelte Haushaltsführung kann auch ohne Wechsel der Arbeitsstätte vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 58/06, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

Der Hausstand i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Mittelpunkt seiner Lebensinteressen führt, also sein Haupt- bzw. bei Ehegatten der Ehegatten- oder Familienhausstand. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist. Ob der Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt bzw. der Ort ist, an dem die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft i.S. des § 1353 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammenleben, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153, m.w.N.).

b) Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den genannten Grundsätzen ausgegangen. Das Finanzgericht (FG) hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitjahr 2003 in W (noch) nicht in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebten. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen sind nur revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702). Solche Verstöße sind im Streitfall nicht erkennbar. Die Schlussfolgerung des FG, dass nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger bereits im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt nach W verlagert habe, ist möglich und vertretbar. Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob die vom FG verlangten Nachweisanforderungen mit den verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar seien, zielt die Beschwerde lediglich auf die genannte tatrichterliche Würdigung des FG.

2. Die Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, ist unbegründet.

Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, insbesondere wenn das Gericht bei seiner Entscheidung von einem Sachverhalt ausgeht, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten widerspricht, oder wenn das Gericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 X B 176/06, BFH/NV 2007, 1698). Kein Verfahrensfehler ist hingegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens. Einwendungen gegen die tatrichterliche Würdigung des streitigen Sachverhalts oder die rechtliche Würdigung betreffen keinen Verfahrensmangel, sondern die Anwendung materiellen Rechts, die als solche nicht zur Zulassung der Revision führen (BFH-Beschlüsse vom 28. März 2000 X B 82/99, BFH/NV 2000, 1186; vom 24. Juli 2006 VIII B 233/05, BFH/NV 2006, 2110; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 100). Das trifft im Streitfall zu.

Bei dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Sachvorbringen der Kläger handelt es sich ganz überwiegend nicht um feststehende Tatsachen, sondern um streitigen Sachverhalt. Da dieser Sachvortrag im Urteil erwähnt ist, ist davon auszugehen, dass das Gericht ihn auch zur Kenntnis genommen hat. Ob es daraus jedoch die zutreffenden Schlüsse gezogen hat, was die Kläger bestreiten, ist, wie dargestellt, im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu prüfen.

3. Soweit die Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das FG rügen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), hätten sie in der Beschwerde darlegen müssen, welche Tatsachenbehauptung aufklärungsbedürftig gewesen ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht ausgeschöpft hat, weshalb sie keine entsprechende Beweiserhebung beantragt haben oder weshalb sich dem FG die Beweiserhebung ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 20. August 1999 VII B 4/99, BFH/NV 2000, 214). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdeschrift nicht.

4. Die Revision ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO zuzulassen. Die Entscheidung beruht nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß, wenn er denn überhaupt vorliegen sollte.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO muss der Verfahrensmangel rechtserheblich sein. Ein Verfahrensmangel ist rechtserheblich, wenn die Entscheidung auf ihm beruhen kann, d.h. wenn mindestens die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung des Gerichts ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Besonderheiten hinsichtlich der Rechtserheblichkeit gelten für die in § 119 FGO erwähnten absoluten Revisionsgründe (Seer, a.a.O., § 115 FGO Rz 115, 116, m.w.N.).

Im Streitfall hätte das FG der Klage auch dann nicht bzw. erst recht nicht stattgegeben, wenn es die ursprünglich ebenfalls streitige Frage der steuerlichen Behandlung der Nebentätigkeit des Klägers nicht mit in die Rechtmäßigkeitsüberprüfung des angefochtenen Bescheids einbezogen hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2191014

BFH/NV 2009, 1435

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