Rn. 170p

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Von der Aussage, dass mit dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums auch bei Zurückbehalt von Besitz, Nutzungen, Gefahr, Lasten beim Veräußerer grds keine Herrschaftsposition verbleibt, die ihn in die Lage versetzen würde, den (neuen) zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung für die gewöhnliche Nutzungsdauer auf das erworbene WG auszuschließen (s Rn 170o), greift eine (Rück-)Ausnahme für Fälle ein, in denen durch Umfang und Ausgestaltung des Besitz-/Nutzungs-/Gefahr-/Lastenrückbehalts einschließlich Verteilung von Wertsteigerungschancen und Wertminderungsrisiken ein formal bestehender Herausgabeanspruch des Erwerbers ohne wirtschaftliche Bedeutung ist oder ein solcher nicht besteht. Findet zu keinem Zeitpunkt ein Übergang von Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten auf den Erwerber statt, kann dieser wirtschaftliches Eigentum – anders als bei lediglich zeitlich verzögertem Besitz-, Nutzungs-, Gefahr- und Lastenübergang (s Rn 170o) – nicht erwerben.

Ein solcher Rückausnahmefall, in dem das wirtschaftliche Eigentum trotz Übergang zivilrechtlichen Eigentums beim Übertragenden bleibt, kann bei Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt dann ausnahmsweise der Fall sein, wenn die Rechte des Nießbrauchers so stark ausgestaltet sind, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das belastete WG ausschließen und über Substanz und Ertrag des WG endgültig verfügen kann, dh die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete WG ausübt (vgl BFH v 27.07.1999, X R 38/98, BStBl II 2000, 653; BFH v 24.06.2004, III R 50/01, BStBl II 2005, 80; BFH v 25.01.2017, X R 59/14, BFH/NV 2017, 1077; vgl auch IDW, ERS HFA 13 nF v 29.11.2006, FN-IDW 2007, 83 Rz 68f). Hiervon ist insb auszugehen, wenn der Nießbraucher berechtigt ist, über das WG für eigene Rechnung zu verfügen (vgl ADS, § 246 HGB Rz 397, 6. Aufl 1998; Götz/Hülsmann, Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht, Rz 671f, 12. Aufl 2019; Tiedchen in H/H/R, § 5 EStG Rz 522 (Januar 2019); Schmidt/Ries in Beck'scher Bilanz-Kommentar, § 246 Rz 49, 12. Aufl 2020). Bei Übertragung von Grundstücken unter Nießbrauchsvorbehalt bleibt der Vorbehaltsnießbraucher entsprechend dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Übertragung unter freiem Widerrufsvorbehalt steht (vgl auch FG He v 26.06.1997, 1 K 2331/95, EFG 1998, 610 zum bedingten Widerrufsvorbehalt). Der Vorbehaltsnießbraucher kann in diesem Fall den zivilrechtlichen Eigentümer durch Ausübung des Widerrufsrechts auf Dauer von der Einwirkung auf den Nießbrauchsgegenstand ausschließen.

Ein derartiger Rückausnahmefall ist gleichermaßen bei grundstücksbezogenen Sale-and-finance-lease-back-Gestaltungen gegeben, die so ausgestaltet sind, dass der Veräußerer (zugleich Leasingnehmer) unverändert wirtschaftlicher Eigentümer bleibt.

Auch die Übertragung von Grundstücken mit Abbruchverpflichtung des Veräußerers ist in diese Fallgruppe einzuordnen: Ist der Veräußerer verpflichtet, ein Gebäude vor Übergabe abzubrechen, kann ein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Grundstückseigentümers insoweit nicht entstehen. Der Abbruchverpflichtete übt vielmehr die tatsächliche Herrschaft über die abzubrechenden Gebäude in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung hierauf wirtschaftlich ausschließen kann und in diesem Fall soll. Im Fall der Veräußerung von Gebäuden mit Abbruchverpflichtung geht wirtschaftliches Eigentum an den abzubrechenden Gebäuden nicht auf den Erwerber über (BFH v 22.08.1984, I R 198/80, BStBl II 1985, 126; BFH v 27.02.1991, XI R 14/87, BStBl II 1991, 628). Wird ein Gebäude dagegen nicht mit Abbruchverpflichtung des Veräußerers, sondern in bloßer Abbruchabsicht des Erwerbers angeschafft, hindert dies nicht den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums (FG He v 10.09.2014, 4 K 101/12, EFG 2015, 946).

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