Rn. 170o

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Wenngleich der Regelfall zeitlicher Divergenz zwischen Übergang zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums bei Grundstücken im vorgelagerten Übergang von Besitz, Nutzungen, Gefahr, Lasten und damit des wirtschaftlichen Eigentums besteht, kann in Ausnahmefällen auch (ggf ungewollt) der umgekehrte Fall eintreten, dass der Besitz-, Gefahr-, Nutzungs- und Lastenübergang der Grundbuchumschreibung und damit dem Übergang zivilrechtlichen Eigentums nachgehen. Die sich hier stellende Frage, ob der nachgelagerte Besitz-, Gefahr-, Nutzungs- und Lastenübergang zu einem (temporären) Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Veräußerer führt, ist für unbewegliche WG zu verneinen. Nach erfolgtem Übergang zivilrechtlichen Eigentums ist der Veräußerer auch bei (temporärerem) Zurückbehalt von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren laufender Nutzung regelmäßig nicht mehr in der Lage, den (neuen) zivilrechtlichen Eigentümer dauerhaft von der Einwirkung auf das WG in einem Maße auszuschließen, dass dessen Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hätte oder ein Herausgabeanspruch nicht mehr bestünde (vgl BFH v 12.04.2000, X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331; BFH v 02.03.2004, III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109; BFH v 18.05.2006, III R 25/05, BFH/NV 2006, 1747 im Streitfall Zurückbehalt von Besitz, Nutzen, Lasten und partieller Gefahren für 1,5 Jahre; vgl auch BFH v 17.04.1962, I 296/61, HFR 1962, 226: "das wirtschaftliche Eigentum weicht vom bürgerlich-rechtlichen Eigentum idR nur im Rahmen solcher Rechtsverhältnisse ab, in denen das bürgerlich-rechtliche Eigentum dem wirtschaftlichen Eigentum folgen soll"). Der Nutzende ist nach Verlust des zivilrechtlichen Eigentums nicht mehr in der Lage, den (neuen) zivilrechtlichen Eigentümer an einer Weiterveräußerung/Belastung des WG zu hindern, er profitiert weder von Wertsteigerungen noch hat er über die Gefahren laufender Nutzung hinausgehende Risiken (Bsp Gefahr des zufälligen Untergangs) zu tragen. Er ist zwar weiterhin Besitzer, allerdings nicht mehr Eigenbesitzer oder Besitzer in Erwartung des Eigentumserwerbs, sondern lediglich Fremdbesitzer (vgl BFH v 12.04.2000, X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331). Die Voraussetzungen des § 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO für eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung liegen insoweit nicht vor. Der Ausnahmecharakter des Auseinanderfallens von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum mit der Folge der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden (Ausnahme-)Zurechnung kommt insoweit mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck.

Ein Grundstückskaufvertrag mit der Vereinbarung des fortgesetzten (temporären) Verbleibs von Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahren laufender Nutzung beinhaltet bei wirtschaftlicher Betrachtung mit Grundstücksverkauf und Nutzungsüberlassung zwei synallagmatisch verbundene Komponenten, die jede der Parteien zu einer Leistung gegenüber der jeweils anderen Partei verpflichtet. Die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums unter Besitzverbleib, Fortsetzung laufender Nutzung sowie Verbleib von Lasten- und Gefahren laufender Nutzung entspricht wirtschaftlich der Struktur eines Sale-and-operating-lease-back Geschäfts (vgl Schneider, PiR 2009, 43), für die ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum ebenfalls nicht anzunehmen ist (Zurechnung zum Leasinggeber).

Für Fälle der Grundstücksveräußerung unter Vorbehaltsnießbrauch, für die die vorbezeichnete Struktur (Übergang zivilrechtlichen Eigentums bei Verbleib von Besitz, Nutzung, Lasten und partieller Gefahrtragung beim Veräußerer) Programm ist, geht der BFH in st Rspr entsprechend regelmäßig von einem Zurechnungswechsel auf den nießbrauchsbelasteten Erwerber aus, da dieser durch den (maximal auf die Lebenszeit des Nießbrauchers, § 1061 S 1 BGB) befristeten Nießbrauch typischerweise nicht dauerhaft von der Einwirkung auf das belastete WG ausgeschlossen wird (BFH v 16.12.1988, III R 113/85, BStBl II 1989, 763; BFH v 01.03.1994, VIII R 35/92, BStBl II 1995, 241; BFH v 26.11.1998, IV R 39/98, BStBl II 1999, 263; BFH v 28.07.1999, X R 38/98, BStBl II 2000 II, 653; BFH v 25.01.2017, X R 59/14, BFH/NV 2017, 1077).

Festzustellen ist für den Fall des Übergangs zivilrechtlichen Eigentums mit nachgelagertem Übergang von Herrschaftsbefugnissen eine Divergenz in der Rspr zur Übertragung von Grundbesitz im Verhältnis zur Übertragung von Anteilen an KapGes. Während in Grundbesitzfällen nach zivilrechtlichem Eigentumsübergang ein temporärer Verbleib wesentlicher Rechte und Pflichten beim Veräußerer den Zurechnungswechsel auf den Erwerber grds nicht hindert (zu den Ausnahmen s Rn 170p), soll in Fällen der zivilrechtlichen Übertragung von Anteilen an KapGes ein temporärer Verbleib wesentlicher Rechte und Pflichten beim Veräußerer einem Zurechnungswechsel entgegenstehen (vgl BFH v 09.10.2008, IX R 73/06, BStBl II 2009, 140; kritisch dazu Mayer, DStR 2009, 674; ebenso (das zu KapGes-Anteilen ergangene Urteil allerdings unzutreffend ohne w...

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