1. Der Aufbau des deutschen ESt-Tarifs

 

Rn. 4

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Die deutsche ESt bemisst sich ab dem Grundfreibetrag von EUR 9 000 (§ 32a Abs 1 S 2 Nr 1 EStG) wie folgt (Rechtslage im VZ 2020):

 
Kurzbezeichnung betreffend Einkommen von – bis (EUR) Steuersatz Rechtsgrundlage
Untere Progressionszone 9 001–13 996 ca 14–24 %1 § 32a Abs 1 S 2 Nr 2 EStG
Obere Progressionszone 13 997–54 949 ca 24–42 %1 § 32a Abs 1 S 2 Nr 3 EStG
Untere Proportionalzone 54 950–260 532 42 %2 § 32a Abs 1 S 2 Nr 4 EStG
Obere Proportionalzone 260 533 und ff 45 %2 § 32a Abs 1 S 2 Nr 5 EStG

1 linearer Grenzsteuersatz

2 konstanter Grenzsteuersatz

2. Der doppelte Vorteil ohne Anwendung des § 32b EStG

 

Rn. 5

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Sind bestimmte Einkünfte außer Ansatz zu lassen, so würde dies (ohne § 32b EStG) wegen des teilweise progressiv verlaufenden Steuersatzes doppelt wirken:

  • Zum einen wird der StPfl dadurch begünstigt, dass er bestimmte Einkünfte nicht zu versteuern hat.
  • Zum anderen würde sich auch die Belastung für das zvE (zum Begriff: s § 2 Abs 5 Hs 2 EStG und s § 2 Rn 322ff (Handzik)) verringern, da es weniger in die Progressionszone hineinragt.
 

Rn. 5a

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Zum Sinn und Zweck des § 32b Abs 1a EStGRn 75aff.

3. § 32b EStG und die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

 

Rn. 6

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

§ 32b EStG will den zweiten Vorteil, nämlich für das zvE (s Rn 5), ausschließen, soweit die Vorschrift greift. Die Vorschrift soll also sicherstellen, dass die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, der ua durch die progressive Gestaltung des Steuertarifs Rechnung getragen wird, unberührt bleibt (BFH BStBl II 1970, 660; 1987, 856; 2001, 778; 2002, 660; 2003, 302; 2012, 596; FG Bln DStRE 2000, 586 rkr; FG Mchn DStRE 2001, 462 rkr; FG Ha DStRE 2001, 740 rkr; FG Münster 11 K 2115 E, DStRE 2017,1500, rkr; FG BBg 6 K 6148/15, DStRE 2017,911; Dissars in Frotscher/Geurts, § 32b EStG Rz 1):

  • § 32b Abs 1 Nr 1 EStG betrifft Lohn- und Einkommensersatzleistungen. Ohne den Progressionsvorbehalt würden uU Arbeitslose dasselbe Nettoeinkommen erreichen wie Berufstätige und so den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung verlieren (BT-Drucks 9/842, 67; BVerfG BB 1995, 1624; BFH BStBl II 1988, 674).
  • § 32b Abs 1 Nr 2 EStG unterwirft die ausländischen Einkünfte, die bei zeitweiser unbeschränkter StPfl nicht der deutschen Besteuerung unterlegen haben, grds dem Progressionsvorbehalt. Dadurch, dass diese ausländischen Einkünfte in Deutschland nicht steuerbar sind, soll der StPfl keine Vorteile ziehen können.
  • § 32b Abs 1 Nr 3 EStG unterwirft nach DBA steuerfreie Einkünfte dem Progressionsvorbehalt. Der StPfl kann also für seinen deutschen Steuersatz nicht dadurch Vorteile ziehen, dass seine Einkunftsquellen aus verschiedenen Staaten stammen (vgl BFH BStBl II 1970, 660; 1970, 755; 1976, 662; 1983, 34; 1987, 856; 1990, 906). Aus europarechtlichen Gründen sind ab VZ 2008 jedoch bestimmte Ausnahmen zu machen (s Rn 31, 109b, 109c).
  • § 32b Abs 1 Nr 4 EStG bezieht nach sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen steuerfreie Einkünfte in den Progressionsvorbehalt ein. Der StPfl soll nicht dadurch begünstigt werden, dass seine Einkünfte von verschiedenen Hoheitsträgern besteuert werden und er dadurch in eine niedrigere Tarifstufe gelangt (BFH BFH/NV 1991, 729).
  • § 32b Abs 1 Nr 5 EStG unterwirft die bei Anwendung des § 1 Abs 3, § 1a o § 50 Abs 2 S 2 Nr 4 EStG nicht der deutschen Besteuerung/dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte dem Progressionsvorbehalt. Wirtschaftlich sind Personen, auf die dieser Sachverhalt zutrifft, genauso leistungsfähig wie diejenigen, deren Einkünfte nach dem DBA steuerfrei gestellt sind.
  • § 32b Abs 1a EStG rechnet bei Organschaft die nach DBA steuerfreien Einkünfte der Organgesellschaft (= KapGes) dem Organträger (falls es sich um eine natürliche Person oder eine PersGes handelt) zu, um bei ihm den Progressionsvorbehalt anwenden zu können. Durch die "Zwischenschaltung" der Organgesellschaft soll der Progressionsvorbehalt nicht beseitigt werden können. Ausführlich dazu s Rn 75a – 75q.

4. Der Zeitpunkt des "Beziehens"

 

Rn. 6a

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Gemeinsame Voraussetzung der § 32b Abs 1 Nr 1–5 EStG ist, dass diese Einkünfte "bezogen" sind (§ 32b Abs 1 S 1 nach Nr 5 EStG), dh bei den Überschusseinkünften nach den Regeln des § 2 Abs 2 Nr 2 EStG "erzielt" = zugeflossen (§ 11 Abs 1 EStG) sind (BFH BStBl II 2012, 596), dh:

(1) Zum Zufluss bei vorfinanziertem Insolvenzgeld s Rn 81 "Insolvenzgeld".
(2) Bei gesetzlichem Forderungsübergang nach § 115 Abs 1 SGB X ist der Arbeitslohn dem ArbN zugeflossen, indem er durch eine Zahlung des ArbG beim Zessionar eingeht. Damit verbunden ist aber eine Rückzahlung der dem ArbN vorgeleisteten Sozialleistungen. Diese geminderte steuerliche Leistungsfähigkeit des ArbN wird durch einen negativen Progressionsvorbehalt berücksichtigt (BFH BStBl II 2008, 375; 2012, 596).
(3) im Übrigen zum Zuflussprinzip bei § 32b EStGRn 57, 62, 81, 92, 124.
 

Rn. 7

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

§ 32b Abs 2 EStG fingiert, dass die stpfl Einkünfte mit dem Steuersatz versteuert werden, der anzuwenden wäre, wenn die steuerfreien Einkünfte den stpfl hinzugerechnet (falls positiv) bzw davon ab...

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