Leitsatz

1. Verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einer Gemeinde und zusätzlich in privatrechtlichen Verträgen auch gegenüber den Grundstückseigentümern gegen Entgelt zur Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde, erbringt der Unternehmer gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung. Es liegt keine sonstige Leistung gegenüber den Eigentümern der im Erschließungsgebiet gelegenen Grundstücke vor (entgegen BMF, Schreiben vom 31.05.2002, BStBl I 2002, 631, unter II.2.c).

2. Zahlungen der Eigentümer an den Unternehmer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erschließung sind Drittentgelte i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 3 UStG.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, 1a, 4 und 9, § 10 Abs. 1 UStG 1999, Art. 5, 6, 10 und 11 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Zur Erschließung eines Gebietes (Eigentümer: Stadt und 3 andere Grundstückseigentümer) beauftragten die 3 Grundstückseigentümer unter Hinweis auf einen mit der Stadt noch abzuschließenden städtebaulichen Erschließungsvertrag, die Herstellung der Erschließungsanlagen (Freilegung der öffentlichen Erschließungsflächen, die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen einschließlich der Hausanschlüsse, die erstmalige Herstellung der öffentlichen Straßen und Wege und die Herstellung der Ausgleichsflächen) für 78 DM/qm. Im Erschließungsvertrag mit der Stadt verpflichtete sich die Klägerin zur Erschließung "im eigenen Namen und für eigene Rechnung"; als Vergütung wurden 78 DM/qm vereinbart, die aber nicht zu zahlen waren, soweit die Klägerin mit den anderen Grundstückseigentümern "eigenständige Vereinbarungen" abgeschlossen habe.

Die Stadt übernahm vereinbarungsgemäß die Erschließungsanlagen in ihre eigene Verwaltung und Unterhaltung. Die Klägerin erklärte steuerpflichtige Umsätze gegenüber den Grundstückseigentümern. Das FA nahm zusätzlich eine Zuwendung an die Stadt nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG an. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (FG Münster, Urteil vom 01.04.2009, 5 K 461/06 U, Haufe-Index 2161250, EFG 2009, 1064)

 

Entscheidung

Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Danach hat die Klägerin mit der Herstellung der Erschließungsanlagen auf den öffentlichen Flächen eine Leistung an die Gemeinde erbracht, wobei das Entgelt aufgrund der wechselseitigen Bezugnahmen der Vereinbarungen der Klägerin mit der Gemeinde einerseits und den Grundstückseigentümern andererseits von Letzteren bezahlt wurde. Der Überlegung, die Klägerin habe eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung?) an die Grundstückseigentümer und zusätzlich – weil die Erschließungsanlagen unmittelbar nur die öffentlichen Flächen betrafen – eine Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG an die Gemeinde erbracht, folgte der BFH nicht.

Nicht festgestellt hatte das FG, ob die Klägerin bereits im Streitjahr die Leistungen gegenüber den Grundstückseigentümern mit ausgewiesener USt abgerechnet hatte; daher die Zurückverweisung.

 

Hinweis

1. Leistungen, die ein Erschließungsträger in der Rechtsform einer GmbH zur Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen bezieht, werden für die durch Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB geschuldete Erschließungsleistung dieser GmbH verwendet. Die gegenständliche Zuordnung zu den öffentlichen Erschließungsflächen schließt eine "wirtschaftliche Zurechnung" der Erschließungsmaßnahmen zu den dadurch erschlossenen Grundstücken des Erschließungsgebiets aus (bereits BFH, Urteil vom 09.11.2006, V R 9/04, BFH/PR 2007, 222).

2. Es gibt viele Gründe zur Vertragsgestaltung bei der Erschließung von neuen Baugebieten. Die Komplexität der Fallgestaltungen (vgl. z.B. auch FG Köln, Urteil vom 30.01.2008, 7 K 2926/04, Haufe-Index 1967017, EFG 2008, 897 – Rev. V R 12/08) hat das BMF zum oben erwähnten Schreiben veranlasst. Grundfrage ist stets eine Analyse der im Zusammenhang mit der Erschließung geschlossenen Verträge und die Frage, wer erbringt aufgrund welcher Vertragsgrundlage an wen eine Leistung und steht in unmittelbarem Zusammenhang damit eine Zahlung. Bei der Vertragsauslegung sind alle hierfür bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten zu erforschen und zu beurteilen. Die Vertragsauslegung obliegt zwar grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz; sie unterliegt der revisionsrechtlichen Prüfung, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze zutreffend angewandt hat.

3. Bei der Beurteilung von Erschließungsverträgen ist deren Zweck zu berücksichtigen: Die Erschließung von Grundstücken dient dazu, diese an das öffentliche Verkehrs- und Versorgungsnetz anzuschließen. Die gemeindliche Erschließungsaufgabe endet an der Grundstücksgrenze. Nicht zur Erschließung gehören deshalb die auf den zu erschließenden Grundstücken selbst notwendigen Anschlüsse. Dementsprechend ist zwischen der Herstellung von Erschließungsanlagen auf den hierfür vorgesehenen öffentlichen Erschließungsflächen, auf denen sich Verkehrsanlagen wie z.B. dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straß...

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