Erschließungskosten bei der Grunderwerbsteuer

In einem Verfahren vor dem FG Münster war fraglich, ob Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in die Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.

Dies insbesondere, wenn das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist.

Streit über die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer

Die Kläger (Eheleute) und der Beklagte (Finanzamt) streiten über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Mit notariellem Vertrag erwarben die Kläger und ihr Sohn, J. B., von der Z-Immobiliengesellschaft mbH (nachfolgend Z.) eine im Grundbuch von X-Stadt eingetragene Grundstücksfläche, zu Miteigentum. Zum Kaufpreis enthält die notarielle Urkunde insbesondere folgende Vereinbarung: "Der Kaufpreis für den Kaufgegenstand beträgt X EUR pro Quadratmeter." In vorbeziffertem Kaufpreis ist die sogenannte Erschließung enthalten.

Kauf eines Grundstücks und Erschließung

Zusätzlich zum vorbeschriebenen Grundstückskaufpreis erstattet der Käufer der Verkäuferin die von dieser im Verhältnis zu den jeweiligen Leistungserbringern zu tragenden Kosten für die Herstellung eines Hausanschlussschachtes für Schmutz- und Regenwasser (Mischsystem) auf dem verkauften Grundstück in Höhe von pauschal X EUR. Die gesamte Zahlungsverpflichtung des Käufers gegenüber der Verkäuferin beläuft sich folglich auf X EUR. Zur Erschließung vereinbarten die Parteien in § 9 der notariellen Urkunde auszugsweise Folgendes:

1. Die Verkäuferin hat mit X-Stadt einen städtebaulichen Vertrag über die Erschließung der Wohnbaugrundstücke und sonstigen Flächen im Bebauungsplangebiet "Nördlich L-Straße2 geschlossen.

Danach hat sich der Erschließungsträger, mithin die Z., verpflichtet, die gesamten Erschließungsmaßnahmen für die sogenannte Ersterschließung des vorgenannten Baugebiets durchzuführen. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen sowie die erstmalige Herstellung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, einschließlich Fahrbahnen, inklusive Stellplatzflächen, Geh-/Radwegen, Straßenentwässerung, Straßenbeleuchtung und Straßenbegleitgrün.

Die in diesem Zusammenhang anfallenden Erschließungskosten werden von der Verkäuferin getragen und sind, wie oben dargelegt, im Kaufpreis enthalten. Eine gesonderte Abrechnung dieser Erschließungskosten erfolgt mithin insgesamt nicht.

Zusätzlich zu den vorgenannten Leistungen der Ersterschließung wird die Z., wie oben bereits dargelegt, den Hausanschlussschacht für das kaufgegenständliche Grundstück erstellen, welcher gemäß den Vorgaben des Abwasserbetriebes in unmittelbarer Nähe zum künftigen öffentlichen Straßenraum gesetzt wird.

Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Mit drei Grunderwerbsteuerbescheiden vom 23.10.2018 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern und ihrem Sohn jeweils Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest.

Gegen die Grunderwerbsteuerbescheide legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten sie jeweils aus, dass der Beklagte eine zu hohe Bemessungsgrundlage angesetzt habe. Der Gesamtkaufpreis für das Grundstück, den Hausanschlussschacht und die Erschließung habe sich auf X EUR belaufen. Die Kosten für den Hausanschlussschacht in Höhe von X EUR sowie die Kosten für die noch nicht geleistete Erschließung in Höhe von ca. X EUR seien aber abzuziehen, sodass für die Grunderwerbsteuer ein Kaufpreis von ca. X EUR anzusetzen sei. Es ergingen geänderte Grunderwerbsteuerbescheide und dann Einspruchsentscheidungen.

Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer

Die Kläger beantragen in ihrer Klage, die Grunderwerbsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf jeweils X EUR festgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung ist der Beklagte der Ansicht, dass bei Abschluss des Kaufvertrags zwar ein noch nicht erschlossenes Grundstück vorgelegen habe. Die Verkäuferin habe sich aber verpflichtet, die gesamten Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. Dies ergebe sich aus § 9 des Vertrages. Vertragsgegenstand sei somit ein erschlossenes Grundstück gewesen. Damit seien die von den Klägern an die Z. gezahlten Erschließungskosten Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Der Senat hat die Sache mündlich verhandelt.

Erschließungskosten sind zu berücksichtigen

Nach dem FG München ist die Klage unbegründet. Nach seiner Auffassung hat der Beklagte zu Recht auch den (kalkulatorisch) auf die Erschließungskosten entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen. Es begründet seine Auffassung unter anderem wie folgt:

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag, der – wie im Streitfall – den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung unter anderem der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

Wann ein Grundstück erschlossen ist

Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne kommen nur Leistungen in Betracht, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt.

Für den Umfang der Gegenleistung ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde. Ob Erschließungskosten als Gegenleistung zu erfassen sind, ist danach zu beurteilen, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist.

Ein Grundstück ist tatsächlich erschlossen, wenn bereits die Erschließungsanlagen im Sinne des BauGB vorhanden sind. Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrages nur das erschlossene Grundstück sein; der zur Abgeltung der Erschließung neben dem eigentlichen Grundstückskaufpreis gesondert ausgewiesene Betrag gehört in diesem Fall zur Gegenleistung.

Ist das Grundstück hingegen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht erschlossen, verpflichtet sich jedoch der Veräußerer, das Grundstück dem Erwerber in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises ist dann Entgelt für den Grundstückserwerb.

Ob das erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung ist, ist im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Im Streitfall ergibt die Auslegung des Kaufvertrages, dass sich die Verkäuferin verpflichtet hat, den Klägern das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen.

Revisionverfahren beim BFH anhängig

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Dies auch im Hinblick auf das unter dem anhängige Revisionsverfahren, Az beim BFH II R 32/20.

FG Münster, Urteil v. 18.3.2021, 8 K 1438/19 GrE
 

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