Rz. 124

[Autor/Stand] Da es für den Betroffenen eine einschneidende Änderung seiner prozessualen Situation bedeutet, wenn auf seinen Einspruch hin die Tat nun auch unter dem Gesichtspunkt einer Straftat geprüft und möglicherweise geahndet wird, muss er vor einer überraschenden Entscheidung geschützt werden[2]. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz in § 81 Abs. 1 Satz 2 OWiG vor, dass das Gericht nur dann aufgrund eines Strafgesetzes entscheiden darf, wenn der Betroffene zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist. Der Hinweis kann auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren erteilt werden[3]. Unterbleibt der Hinweis, darf keine Entscheidung (also kein Freispruch und keine Einstellung) unter strafrechtlichen Gesichtspunkten erfolgen. Der Hinweis auf den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt ist mithin konstitutiv für den Übergang in das Strafverfahren[4]. Das wird auch daran deutlich, dass der Betroffene erst mit dem Hinweis die Stellung eines Angeklagten erlangt (§ 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG).

 

Rz. 125

[Autor/Stand] Das Unterlassen des Hinweises begründet für das weitere Verfahren kein Verfahrenshindernis[6]. Ergeht dennoch eine Entscheidung des Gerichts, kann der Betroffene dagegen mit den Rechtsmitteln der StPO vorgehen.[7]

Erfolgt der Hinweis während der Hauptverhandlung, aber in Abwesenheit des Betroffenen zu Protokoll, darf ohne den ausgebliebenen Betroffenen nicht weiter verhandelt werden (vgl. § 230 StPO). Die Bekanntgabe an den Verteidiger genügt nicht[8]. Wird gleichwohl ohne den Angeklagten verhandelt, stehen diesem gegen ein Urteil die Rechtsmittel der StPO zur Verfügung[9].

Im Gegensatz zu § 265 StPO erteilt das Gericht den Hinweis nicht nur von Amts wegen; stellt die StA einen entsprechenden Antrag, ist das Gericht dazu verpflichtet (§ 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022
[2] Vgl. Begr. zum Entwurf eines OWiG, BT-Drucks. V/1269, 104.
[3] BGH v. 19.5.1988 – 1 StR 600/87, BGHSt 35, 298 (302) = NJW 1988, 3162 = wistra 1988, 359; Tormöhlen in HHSp., § 410 AO Rz. 108 m.w.N.
[4] Vgl. LG Kaiserslautern v. 23.10.1986 – 3 Qs 235/86, NJW 1987, 966.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022
[6] H.M., vgl. OLG Hamburg v. 30.10.1985 – 1 Ss 123/85, NStE § 81 OWiG Nr. 1 = NStZ 1986, 81; Tormöhlen in HHSp., § 410 AO Rz. 109.
[7] Ebenso Rebmann/Roth/Herrmann, § 81 OWiG Rz. 16; Seitz/Bauer in Göhler18, § 81 OWiG Rz. 24; Lutz in KK5, § 81 OWiG Rz. 27.
[8] Seitz/Bauer in Göhler18, § 81 OWiG Rz. 15.
[9] Vgl. BayObLG v. 20.5.1969 – 1b Ws (B) 7/69, NJW 1969, 1313.

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