Rz. 371

[Autor/Stand] Nachfolgende Darstellung bezieht sich auf die Rechte des Verteidigers im Ermittlungsverfahren (zu dem Verfahren als solchen vgl. § 385 Rz. 51 ff.). Die Anwesenheits- und Erklärungsrechte im Hauptverfahren erklären sich durch die dortige prozessuale Rolle des Verteidigers (vgl. zum Hauptverfahren § 385 Rz. 540 ff.) und bedürfen hier keiner Darstellung.

 

Rz. 372

[Autor/Stand] Abgesehen von richterlichen Untersuchungshandlungen und Beschuldigtenvernehmungen durch die FinB/BuStra bzw. StA und seit dem 1.1.2018 auch bei Beschuldigtenvernehmungen durch die Polizei sieht die StPO kein Anwesenheitsrecht des Verteidigers vor. Der Verteidiger ist somit überwiegend von den – geheim geführten – Untersuchungshandlungen im Ermittlungsverfahren ausgeschlossen und wird gesetzlich auf eine bloße Kenntnisnahme des Inhalts der Protokolle (vgl. § 168b StPO) der jeweiligen Untersuchungshandlungen im Wege der Akteneinsicht nach § 147 StPO (Rz. 606 ff.) verwiesen.

 

Rz. 373

[Autor/Stand] Die nachstehend aufgeführten Anwesenheitsrechte und -möglichkeiten stehen neben dem geborenen Verteidiger (Rz. 11 ff.) auch dem als Verteidiger agierenden steuerlichen Berater uneingeschränkt zu, dies sowohl im Fall der Alleinverteidigung (§ 392 Abs. 1 Halbs. 1, Abs. 2 AO i.V.m. § 138 Abs. 2 StPO) als auch bei der gemeinsamen Verteidigung (§ 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO; s. bereits Rz. 328).

 

Rz. 374

[Autor/Stand] Der Verteidiger hat ein uneingeschränktes Anwesenheitsrecht bei richterlichen Untersuchungshandlungen. Dies gilt sowohl für Befragungen des Beschuldigten (§ 168c Abs. 1 StPO; nicht aber des Mitbeschuldigten)[5], von Zeugen oder Sachverständigen (§ 168c Abs. 2 StPO) und auch bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins (§ 168d Abs. 1 StPO). Von dem Termin ist der bestellte (!) Verteidiger vorher zu benachrichtigen (§ 168c Abs. 5 Satz 1, § 168d Abs. 1 StPO). Die Benachrichtigung kann allerdings unterbleiben, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde (§ 168c Abs. 5 Satz 2, § 168d Abs. 2 StPO); erfährt der Verteidiger gleichwohl vom Termin und erscheint dort, darf er trotz befürchteter Gefährdung des Ermittlungszwecks nicht ausgeschlossen werden.[6] Zum Verwertungsverbot bei unterbliebener Benachrichtigung s. näher § 385 Rz. 462.[7] Im Übrigen hat der Verteidiger gem. § 168c Abs. 5 Satz 3, § 168d Abs. 1 Satz 2 StPO zwar keinen Anspruch auf Terminverlegung wegen eigener Verhinderung, doch ist einem begründeten Verlegungsgesuch i.d.R. nachzukommen.[8]

 

Rz. 375

[Autor/Stand] In der Praxis erlangt dieses Anwesenheitsrecht bei richterlichen Untersuchungshandlungen jedoch nur geringe Bedeutung, da i.d.R. Zeugenvernehmungen durch die StA bzw. die selbständig ermittelnde FinB/BuStra durchgeführt werden (dann kein Anwesenheitsrecht, s. Rz. 372). Sollte ausnahmsweise – etwa zwecks Protokollierung der Aussage eines Auslandszeugen – eine richterliche Vernehmung erfolgen, sollte der Verteidiger an der Vernehmung teilnehmen und diese ggf. aktiv begleiten, da die richterlich protokollierte Zeugenaussage unmittelbar prozessual verwertbar ist (§ 251 Abs. 2 StPO).

 

Rz. 376

[Autor/Stand] Bei Vernehmungen auf Vorladung der selbständig ermittelnden FinB/BuStra oder der StA ist zu differenzieren. Dem Verteidiger steht bei der Vernehmung des Beschuldigten gem. § 163a Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. § 168c Abs. 1 und 5 StPO ein Anwesenheitsrecht zu und er ist zuvor über die beabsichtigte Vernehmung zu benachrichtigen, sofern dadurch nicht der Untersuchungszweck gefährdet wird. Hinsichtlich Terminverlegung und Folgen einer unterbliebenen Benachrichtigung s. Rz. 374 entsprechend. Dies gilt gem. § 163a Abs. 4 Satz 3, § 168 Abs. 1, 5 StPO seit dem 1.1.2018 auch für die Vernehmung des Beschuldigten durch die Polizei/Steufa/Zollfahndung oder beauftragte BuStra (§ 404 AO);[11] die Anwesenheit des Verteidigers muss also nicht mehr über eine ansonsten in Aussicht gestellte Aussageverweigerung erzwungen werden.

 

Rz. 377

[Autor/Stand] Vernimmt die selbständig ermittelnden FinB/BuStra oder der StA hingegen einen Zeugen, steht dem Verteidiger nach h.M. kein Anwesenheitsrecht zu (vgl. § 161a StPO/§ 168c Abs. 1 StPO e contrario).[13] Gleiches gilt bei Augenscheinseinnahmen, Durchsuchungen bei Dritten etc. Das BVerfG hat das fehlende Anwesenheitsrecht des Verteidigers für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten,[14] eine Reform scheint insoweit allerdings weiterhin angebracht.[15]

 

Rz. 378

[Autor/Stand] Auch bei Vernehmungen von Zeugen durch die Polizei oder durch die Steufa/Zollfahndung oder FinB im Auftrag der StA (vgl. § 404 AO), sowie bei sonstigen nicht-richterlichen Untersuchungshandlungen steht dem Verteidiger nach h.M. kein Anwesenheitsrecht zu.

 

Rz. 379

[Autor/Stand] Das Fehlen eines Anwesenheitsrechts bedeutet allerdings kein Verbot für die Ermittlungsbehörde, die Anwesenheit des Verteidigers zu gestatten.

 

Rz. 380

[Autor/Stand] In der Praxis wird der Wunsch der Verteidigung um Terminabstimmung regelmäßig beachtet. Sollte dies nicht geschehen, kann der Verteidiger b...

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