I. Erweiterung auf Nichtsteuerstraftaten (§ 391 Abs. 4 Halbs. 1 AO)

 

Rz. 82

[Autor/Stand] Wie einleitend bemerkt (s. Rz. 1), ergeben sich aus § 391 Abs. 4 AO Erweiterungen und Einschränkungen der örtlichen Zuständigkeit der AG in Steuerstrafverfahren.

 

Rz. 83

[Autor/Stand] Ohne die Regelung des § 391 Abs. 4 Halbs. 1 AO stellte sich das Problem, ob die spezialgesetzliche Regelung der örtlichen Zuständigkeit auch dann zu beachten wäre, wenn ein beim AG anhängiges Strafverfahren außer Steuerstraftaten auch Nicht-Steuerdelikte, wie z.B. Urkundenfälschung, Korruptionsdelikte usw., zum Gegenstand hat. In Abs. 4 Halbs. 1 wird klargestellt, dass auch für solche Verfahren der ausschließliche Gerichtsstand der Abs. 1–3 gilt. Es ist unerheblich, ob das Schwergewicht der Taten auf der Steuerstraftat oder dem sonstigen Delikt liegt[3].

§ 391 Abs. 4 AO stellt auf den Inhalt des Verfahrens ab. Die Steuerstraftat und das Nichtsteuerdelikt brauchen daher auch nicht notwendig tateinheitlich im materiellen Sinne des § 52 StGB oder prozessual identisch i.S.d. § 264 StPO zu sein (s. § 370 Rz. 860 ff., 867; § 385 Rz. 1315 ff., § 386 Rz. 94, 95 ff.)[4]. Es genügt, wenn zwischen den Handlungen ein persönlicher oder sachlicher Zusammenhang (vgl. § 3 StPO) besteht (s. § 389 Rz. 3), also auch bei einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, von denen einer nur ein Steuerdelikt, die anderen (auch oder nur) eine andere Straftat begangen haben[5].

 

Rz. 84

[Autor/Stand] Allerdings ist nicht auszuschließen, dass wegen der Gewichtigkeit der allgemeinen Straftat gegenüber der Steuerstraftat die Regelung des § 391 Abs. 4 AO im Einzelfall zu nicht praktikablen Ergebnissen führen kann. In solchen Fällen kommt eine Trennung der einzelnen Teile des Verfahrens gem. § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 StPO in Betracht. Diese setzt allerdings voraus, dass es sich bei dem Gegenstand des Verfahrens um mehrere Taten im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) handelt, die im Wege der § 2 Abs. 1, § 3 StPO verbunden wurden[7]; die Trennung einer einheitlichen Tat i.S.v. § 264 StPO ist als Verstoß gegen das Verbot doppelter Rechtshängigkeit und das Gebot der einheitlichen Aburteilung unzulässig[8]. Möglich ist eine Trennung auch noch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der StA oder von Amts wegen oder auf Antrag des Angeklagten, jeweils durch Gerichtsbeschluss.

 

Rz. 85

[Autor/Stand] Zudem besteht die Möglichkeit, prozessual selbständige Taten sowie abtrennbare Teile einer einheitlichen prozessualen Tat gem. §§ 154, 154a StPO auszuscheiden[10] (s. § 385 Rz. 175). Der Steuerstrafrichter bleibt zuständig, auch wenn er nach Anklage die Strafverfolgung mit Zustimmung der StA gem. § 154a Abs. 2 StPO auf die nichtsteuerlichen Delikte beschränkt hat[11].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[3] Ebenso Randt in JJR9, § 391 AO Rz. 31; Bülte in HHSp., § 391 AO Rz. 63; Diemer in KK/StPO9, § 74c GVG Rz. 2.
[4] Ebenso Bülte in HHSp., § 391 AO Rz. 62 f.
[5] Randt in JJR9, § 391 AO Rz. 32.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[7] Bülte HHSp., § 391 AO Rz. 65.
[8] Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt66, § 3 StPO Rz. 2.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[10] Bülte in HHSp., § 391 AO Rz. 67.
[11] Randt in JJR9, § 391 AO Rz. 33.

II. Ausschluss bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (§ 391 Abs. 4 Halbs. 2 Alt. 1 AO)

 

Rz. 86

[Autor/Stand] Durch Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28.7.1981 (s. Rz. 5) wurden Straftaten nach dem BtMG, die mit einer Steuerstraftat im Zusammenhang stehen, von der Zuständigkeitskonzentration der AG i.S.d. § 391 Abs. 13 AO ausgenommen. Ein derartiger Zusammenhang besteht regelmäßig dadurch, dass die Beschaffung von Betäubungsmitteln in aller Regel grenzüberschreitend stattfindet, so dass es zwar mangels Entstehens einer Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld (vgl. Art. 83 Abs. 2 Buchst. a, b, Abs. 3 UZK; bereits früher st. Rspr. des EuGH[2]) nicht zu einer Steuerhinterziehung (s. § 370 Rz. 538), wohl aber regelmäßig zu einem Bannbruch kommt (streitig, § 372 AO, s. § 370 Rz. 538; § 372 Rz. 97; § 373 Rz. 19, 30).

Zur Zuständigkeit der Strafsenate des BGH bei BtM und Bannbruch s. BGH vom 19.7.2018[3], zitiert in § 372 AO Rz. 108.1.

Durch diese Regelung, die im Übrigen wörtlich der des § 74c Abs. 1 Nr. 3 GVG entspricht (keine Zuständigkeit von Wirtschaftsstrafkammern für BtM-Delikte), sollten die Steuerstrafgerichte von der Ahndung von BtM-Straftaten mit einem völlig anderen Unrechts- und Schweregehalt entlastet werden[4]. Der Gesetzgeber hatte damit der "Kenntnis der örtlichen Drogenszene" Vorrang eingeräumt vor der Sachkunde des Steuerstrafrichters (s. Rz. 5).

 

Rz. 87

[Autor/Stand] Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 391 Abs. 4 Halbs. 2 Alt. 1 AO bezieht sich die Vorschrift ausschließlich auf BtM-Straftaten, die durch "dieselbe Handlung" wie die Steuerstraftat begangen wurden (vgl. auch den identischen Wortlaut des § 74c Abs. 1 Nr. 3 GVG). Damit ist ein tateinheitliches Zusammentreffen i.S.d. § 52 StGB gemeint. Das führt zu dem – vielleicht vom Gesetzgeber unbedachten[6] – Ergebnis, dass in Fällen ...

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