Rz. 105

[Autor/Stand] Die gesetzestechnische Fassung des § 372 AO führt zu der Frage, ob in allen Fällen der Ahndung eines Bannbruchs die Verfahrensvorschriften der AO – also die §§ 385408 AO für Straftaten und die §§ 409412 AO für Ordnungswidrigkeiten – zur Anwendung kommen.

 

Rz. 106

[Autor/Stand] Zunächst einmal scheiden bereits vom Sinnzusammenhang her die Bestimmungen aus, die einen spezifisch abgabenrechtlichen Bezug haben, so z.B. § 388 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AO ("Abgabenangelegenheit"), § 393 AO ("Besteuerungsverfahren") und § 396 AO ("Steuervorteil")[3].

 

Rz. 107

[Autor/Stand] Unstreitig nach den §§ 385408 AO zu verfahren ist, wenn der Bannbruch nach § 372 Abs. 2 i.V.m. § 370 Abs. 1 und 2 AO zu bestrafen ist. Dies folgt aus § 369 Abs. 1 Nr. 2 AO ("Steuerstraftaten sind ... der Bannbruch") und § 385 Abs. 1 AO.

Nach inzwischen h.M.[5] gelten die besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 385408 AO auch dann, wenn die Tat als Bannbruch entsprechend der in § 372 Abs. 2 AO enthaltenen Subsidiaritätsklausel nach anderen Strafvorschriften (auch z.B. nach denen des StGB, s. Rz. 10) geahndet wird. Das entspricht nicht nur dem Gesetzeswortlaut; die Fälle des § 372 Abs. 2 AO werden vom Gesetz als Sonderfälle des in Abs. 1 näher definierten Begriffs Bannbruch gewertet, der in § 369 AO zur Steuerstraftat deklariert wird. Vor allem spricht auch die gesetzgeberische Überlegung, die zur Aufnahme der "abgaben-fremden" Bestimmung in die AO geführt hat, für diese Sichtweise. Mit der straf- und bußgeldrechtlichen Verfolgung von Verbringungsdelikten soll die Behörde befasst werden, die – wie die Zollbehörde – für die Überwachung der Verbringungsverbote zuständig ist. Diese Überlegung trifft in gleichem Maße für die Fälle des Abs. 1 wie die des Abs. 2 des § 372 AO zu.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Diese Auffassung führt zu der Konsequenz, dass die Zollbehörden (HZA/Zollfahndung) den Sachverhalt zu ermitteln haben (§ 386 Abs. 1 AO). Sie handeln bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens selbständig (§ 386 Abs. 2 AO). Dennoch leitet in der Praxis regelmäßig die StA das Ermittlungsverfahren (zur Weiterleitungsbefugnis s. auch § 12 ZollVG). Die Gründe dafür liegen zum einen darin, dass sich häufig kriminelle Querverbindungen zu tateinheitlich konkurrierenden allgemeinen Straftaten ergeben (z.B. Einfuhr von Betäubungsmitteln = Steuerstraftat und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln = Allgemeindelikt), die nicht der Ermittlungskompetenz der Zollbehörden unterfallen (s. § 386 Rz. 89 ff.), zum anderen (insbesondere bei Betäubungsmittel-Aufgriffen) darin, dass Haftbefehle ergehen mit der Folge der Zuständigkeitsverlagerung auf die StA, § 386 Abs. 3 AO (s. § 386 Rz. 103 ff.).

 

Rz. 108.1

[Autor/Stand] Die StA sieht in aller Regel von einer Verfolgung des Bannbruchs gem. § 154a StPO ab; ansonsten ergäbe sich bei Verfolgung der allgemein geprägten Delikte wie z.B. Waffenschmuggel bei Annahme auch eines Steuerdelikts eine besondere gerichtliche Zuständigkeit (Wirtschaftsstrafkammer beim LG bzw. eine besondere Abteilung des AG am Sitz der StA, § 391 AO und § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG; s. dazu § 391 Rz. 15 ff., 75 ff.; vgl. aber für BtM-Delikte die Ausnahmeregelung des § 391 Abs. 4 Halbs. 2 Alt. 1 AO; s. § 391 Rz. 86 ff.)[8].

 

Beispiel

nach BGH[9]: Der 4. Strafsenat des BGH hatte eine Strafsache an den für Steuerstrafsachen zuständigen 1. Strafsenat abgegeben mit der Begründung, dass es im Entscheidungsfall nicht um eine Straftat nach dem BtMG und damit zusammenhängenden Bannbruch ging, sondern um eine Steuerordnungswidrigkeit nach § 31a Abs. 2 ZollVG .

Hierzu führte der BGH aus: "Die im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene Ausnahme, wenn ‚dieselbe Handlung‘ eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz darstellt, greift nicht ein. Entgegen der vom 1. Strafsenat bei der Anhörung vertretenen Auffassung hat die an die Formulierung in § 52 Abs. 1 StGB angelehnte Ausnahme einen Anwendungsbereich, obwohl Betäubungsmittel – grundsätzlich – weder umsatz- noch verbrauchsteuerpflichtig sind (EuGHE 1988, 3627). Das folgt aus der Begehung eines Bannbruchs (§ 372 AO) durch die Einfuhr von Betäubungsmitteln. Nicht anders als bei der hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit nach § 31a Abs. 2 ZollVG bewirkt auch beim Bannbruch ‚verfahrensrechtlich ... die Zuwiderhandlung gegen die im nichtsteuerlichen Bereich wurzelnden Verbote die Ahndung als Steuerstraftat (§ 369 Abs. 1 Nr. 2 AO) ...‘ (Klein, AO, 13. Aufl., § 372 Rn. 1). Unabhängig davon liegt auch der vom 1. Strafsenat angesprochene Zusammenhang mit der dem Angeklagten vorgeworfenen Betäubungsmittelstraftat nicht vor. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte beim Grenzübertritt zur Schweiz Bargeld in Höhe von 28.000 EUR mit sich, um dieses als Reisespesen an weitere bei seiner Arbeitgeberin beschäftigte Fahrer zu verteilen. Ein innerer Zusammenhang mit der Einfuhr von und dem Handel mit Heroin und Kokain besteht nicht."

 

Rz. 108.2

[Autor/Stand] In dem von der StA geführten Verfahren li...

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