Rz. 837

[Autor/Stand] Die Vorschrift hat mit der Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1, 2 AO nur wenig gemeinsam und wirkt deshalb an dieser Stelle des Gesetzes wie ein Fremdkörper. Die Fremdanzeige i.S.d. § 371 Abs. 4 AO bewahrt Steuerhinterzieher vor Strafverfolgungsmaßnahmen, die hierfür im Gegensatz zu § 371 Abs. 1 AO keinen eigenen Beitrag geleistet zu haben brauchen. Nur wenn der Dritte, dem die Anzeige zugute kommt, zum eigenen Vorteil gehandelt hat, muss er entsprechend § 371 Abs. 3 AO die verkürzte Steuer und die Hinterziehungszinsen nachzahlen. § 371 Abs. 4 AO stellt ein Strafverfolgungshindernis dar, das zwar im Ergebnis auch zur Straffreiheit führt, sich aber nur prozessual und nicht – wie die Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund – materiell auf die Strafbarkeit selbst auswirkt[2]. Dass die begünstigende Wirkung nicht beim Anzeigeerstatter, sondern bei einem Dritten eintritt, versteht sich wegen der Straflosigkeit des Anzeigeerstatters von selbst. § 371 Abs. 4 AO kennt zudem nur einen Ausschlussgrund: Die begünstigende Wirkung entfällt nur dann, wenn dem Dritten zuvor die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben wurde.

 

Rz. 838

[Autor/Stand] Der rechtspolitische Grund dieser Regelung besteht darin, die in § 153 AO genannten anzeigepflichtigen Personen vor dem Vorwurf der Denunziation zu bewahren, der sich für sie daraus ergeben würde, wenn sie mit der Erfüllung der in § 153 AO vorgesehenen Anzeigepflichten einen anderen der Gefahr einer strafrechtlichen Verurteilung aussetzen würden[4].

 

Rz. 839

[Autor/Stand] Zweck des § 371 Abs. 4 AO ist es also – insofern ergibt sich eine Gemeinsamkeit mit der Selbstanzeige –, den Anzeigepflichtigen aus steuerpolitischen Gründen von Hemmungen zu befreien, die ihn davon abhalten könnten, durch Erstattung der in § 153 AO vorgeschriebenen Anzeige dem Staat eine bisher verborgene Steuerquelle zu erschließen.

 

Rz. 840

[Autor/Stand] Während die Tatbestandsvoraussetzungen des § 371 Abs. 4 AO weitgehend unproblematisch sind (s. nachst. Rz. 841 ff.), ist der Umfang der strafbefreienden Wirkung der Fremdanzeige äußerst umstritten (s. Rz. 851 ff.). Insbesondere wird der enge praktische Geltungsbereich der gegenwärtigen Gesetzesfassung kritisiert[7].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[2] H.M., vgl. Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 401; Boelsen, 1994, S. 13; Scheurmann-Kettner in Koch/Scholtz5, § 371 AO Rz. 42.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[4] Begr. RegE AO 1974, BT-Drucks. VI/1982, 195; vgl. auch Brauns, wistra 1985, 171 (174); Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 AO Rz. 525.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[7] Vgl. Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 209 ff.; Wassmann, Die Selbstanzeige im Steuerrecht, 1991, S. 114.

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