Rz. 484

[Autor/Stand] Problematisch erscheint die persönliche Reichweite der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO bei – nicht zum Kreis der in § 14 StGB genannten gesetzlichen Vertreter oder Beauftragten in leitender Funktion zählenden – Betriebsangehörigen, soweit diese (Mit-)Täter oder Teilnehmer einer betriebsbezogenen Steuerhinterziehung sind (z.B. Buchhalter, Sekretärin, Bankmitarbeiter ua.).

 

Rz. 485

[Autor/Stand] Hier würde es dem Grundsatz der engen Auslegung aufgrund des beschriebenen Gesetzeszwecks (s. Rz. 417) widersprechen, die Sperrwirkung pauschal auf alle Betriebsangehörigen zu erstrecken[3]. Die Gefahr, dass jeder Betriebsangehörige die Entdeckung der Tat durch den Prüfer abwartet und sich die Feststellungen zu eigen macht, liegt hier nicht von vornherein "selbstverständlich" auf der Hand, so dass es gerechtfertigt sein könnte, eine Typisierung der Entdeckungsgefahr anzunehmen[4]. Eine Typisierung in der beschriebenen Art und Weise scheitert im Übrigen daran, dass der Freiwilligkeit in keinem Fall dieselbe Bedeutung beigemessen werden kann wie im Rahmen des § 24 StGB (s. Rz. 419). Die Reichweite der Sperrwirkung ist daher, wie das OLG Düsseldorf[5] im Ansatz zutreffend formuliert hat, auch bei Betriebsangehörigen stets für den Einzelfall zu bestimmen, d.h. für jeden Betriebsangehörigen unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks. Dabei wird man allerdings nicht so weit wie Teske[6] gehen können, die anlässlich der Anforderungen an Durchsuchungsbeschlüsse zur Auslösung der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO aus Gründen der Rechtssicherheit auch die Vorschrift des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO nur auf solche Betriebsangehörige erstrecken will, die bei einer Eingliederung in die betriebliche Organisation (gleichberechtigt) am Machtbereich eines Betriebes teilhaben[7].

 

Rz. 486

[Autor/Stand] Für die Lösung des in Rede stehenden Problems kann die in der Rechtsordnung allgemein anerkannte Definition für den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen nutzbar gemacht werden[9]. Zwar ist die subjektive Komponente in § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO im Gegensatz zu Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 nur schwach ausgeprägt, sie ist jedoch vorhanden: So verlangt die h.M. für ein "Erscheinen", dass der Amtsträger dem Täter bzw. seinem Vertreter körperlich gegenübertritt oder sich zumindest auf dessen Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen begibt (s. Rz. 451 ff. m.w.N. auch zur Gegenansicht, die auf die optische Wahrnehmung abstellt). Übereinstimmung besteht also insoweit, als der Begriff des "Erscheinens" eine Verbindung zur persönlichen Sphäre des Stpfl. herstellt. Setzt man in diesem Zusammenhang die These von Teske und Westpfahl um, dann lässt sich ein Erscheinen gegenüber allen Personen annehmen, die an der Sphäre eines Betriebes in der Weise teilhaben, dass unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Erscheinen des Prüfers besteht. Dazu steht nicht in Widerspruch, dass nach der h.M. der Beginn der Ausschlusswirkung bei Nr. 1 Buchst. c – anders als bei Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 – nicht davon abhängig ist, dass der Täter oder Tatbeteiligte vom Ausschlussgrund, d.h. vom Erscheinen, Kenntnis erhält (s. Rz. 463). Das Abstellen auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme dient in diesem Zusammenhang lediglich dazu, den Personenkreis abzustecken, der an der betrieblichen Einflusssphäre teilnimmt und damit – normativ – entsprechend dem Gesetzeszweck die Grenze der Zurechenbarkeit zu bestimmen: Wie bereits oben (s. Rz. 10) erwähnt, soll die durch die Novelle vom 7.12.1951 eingeführte Sperre der Nr. 1 Buchst. a (heute: Nr. 1 Buchst. c) verhindern, dass der Stpfl. die Entdeckung der Tat durch den Prüfer der FinB abwartet, sich dessen Feststellungen zu eigen macht und sie der FinB als "Berichtigung" präsentiert, bevor ihm die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben wird. Diese Gefahr besteht nicht bei Personen, die wegen fehlenden wesentlichen Einflusses im Betrieb nicht informiert werden, so etwa der Kraftfahrer oder die Sekretärin. Die Abgrenzung ist Frage des Einzelfalls. Im Zweifel gilt hier aus Gründen der Rechtssicherheit der Grundsatz in dubio pro reo.

 

Rz. 487

[Autor/Stand] Die vorstehenden Grundsätze, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Erscheinen des Prüfers über die Sperrwirkung gegenüber im Betrieb tätiger Mitarbeiter entscheidet, führen zwangsläufig zu dem Schluss, dass externe (z.B. freiberuflich) für das Unternehmen tätige Mitarbeiter (insb. Steuerberater, s. bereits Beispiel bei Rz. 478) nicht an einer strafbefreienden Selbstanzeige gehindert sind.

 

Rz. 488

[Autor/Stand] Entsprechendes gilt für aus dem Betrieb ausgeschiedene Mitarbeiter.

 

Beispiel 18

A war bis Ende 1979 Vorstandsvorsitzender der X-AG. 1980 wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzenden der X-AG gewählt. In dieser Eigenschaft stand ihm ein Büro auf dem Unternehmensgelände der X-AG zur Verfügung, in dem seine bisherige Sekretärin für ihn tätig war. Im Rahmen ein...

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