Rz. 203

[Autor/Stand] Die Tathandlungen der Steuerhinterziehung sind in § 370 Abs. 1 Nr. 1–3 AO beschrieben. Insofern unterscheidet sich § 370 AO wesentlich von der Vorgängervorschrift des § 392 RAO, bei der nach ihrem Wortlaut jedes Verhalten tatbestandsmäßig war, das den Verkürzungserfolg herbeiführte (zur Entstehungsgeschichte s. Rz. 1 ff.; zu den Auswirkungen auf die Annahme täterschaftlicher Verantwortung s. Rz. 105 ff.). Das typische Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung liegt heute in der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten[2] (zur verfassungsrechtlichen Problematik der Verweisungstechnik s. Rz. 20 ff.).

 

Rz. 204

  • Nr. 1 enthält die Begehung durch aktives Tun. Strafbar macht sich danach, wer den zuständigen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Das Machen unvollständiger Angaben, das notwendig ein Element des Unterlassens beinhaltet, wird vom Gesetz als Begehungsdelikt behandelt, während das vollständige Unterlassen der gebotenen Angaben unter Nr. 2 fällt. Bedeutsam ist die Unterscheidung für die Frage, wer als Täter der Steuerhinterziehung in Frage kommt. Bei Nr. 1 ist das jedermann, nicht nur der Stpfl. (s. Rz. 90 f.). Deshalb ist es auch nicht sachgerecht, die Begehungsalternative der Nr. 1 als bloßen Unterfall der Nr. 2 zu verstehen[3]. Strafrechtlich gefordert wird bei Nr. 1 nicht lediglich das Unterlassen unrichtiger (oder unvollständiger) Angaben[4], sondern die Vornahme richtiger (oder vollständiger) Angaben. In Abgrenzung zu Nr. 2 gilt das allerdings nur für diejenigen, die überhaupt – auch ohne dazu verpflichtet zu sein – Angaben gegenüber der FinB machen. Wenn Angaben gemacht werden, müssen diese richtig und vollständig sein (s. Rz. 91).

    Beispiel[5]

    In seiner Umsatzsteuervoranmeldung erklärt der Stpfl. seinen Umsatz mit 75.000 EUR, obwohl tatsächlich Umsätze von 100.000 EUR erzielt wurden. Das kann nicht bedeuten, dass § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO deshalb nicht vorliegt, weil bei gänzlich unterlassenen Angaben der Verkürzungserfolg noch größer gewesen wäre. Das wäre aber der Fall, wenn der Stpfl. gar keine Angaben über die im Voranmeldungszeitraum erzielten Umsätze gemacht hätte. Wer überhaupt Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht, muss richtige und vollständige Angaben machen und kann sich auch für Nr. 1 nicht darauf berufen, er hätte die Angaben doch ganz unterlassen können.

    Begreift man dagegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (lediglich) als Gebot, unrichtige Angaben zu unterlassen, könnte man argumentieren, dass dieser Tatbestand zu verneinen ist. Denkt man nämlich die unrichtigen Angaben hinweg, würde der Steuerverkürzungserfolg nicht entfallen, sondern im Gegenteil größer sein[6]. Bei diesem Verständnis wäre Nr. 1 nur einschlägig, wenn durch die Tathandlung die ohne sie eintretende, richtige Steuerfestsetzung verhindert würde. Eine Strafbarkeit lässt sich dann für den Beispielsfall nur über § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen. Versteht man das Verbot der Nr. 1 hingegen im hier vertretenen Sinn, greift schon dieser Tatbestand. Die gerade geschilderte Auffassung beruht zudem auf einem falschen Verständnis des Kausalitätserfordernisses[7]. Tatsächlich wirken die unrichtigen Angaben und fließen in die Steuerfestsetzung ein (s. Rz. 570)[8].

  • Nr. 2 enthält die Begehung durch Unterlassen. Strafbar macht sich derjenige, der die FinB pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Wer nicht verpflichtet ist, Angaben zu machen, kann nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht täterschaftlich verantwortlich, sondern nur Teilnehmer an einer fremden Tat sein (s. Rz. 89, 120 ff.). Nr. 2 ist also Sonderdelikt.
  • Nr. 3 stellt das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen und Steuerstemplern unter Strafe. Es handelt sich um einen Sonderfall des Unterlassens. Im Gegensatz zu den Begehungsformen der Nr. 1 und 2 wird hier kein Tun oder Unterlassen gegenüber Behörden vorausgesetzt. Täter kann nur derjenige sein, der zur Verwendung der Zeichen oder Stempler verpflichtet ist (s. Rz. 87 f.).
  • Zweifelhaft ist, ob über die in Nr. 1–3 ausdrücklich genannten Tathandlungen hinaus, auch eine Tatbestandsverwirklichung der Nr. 1 durch Unterlassen i.V.m. § 13 StGB möglich ist. Tatbestandsmäßig würde dann derjenige handeln, der es unterlässt, eigene oder fremde Falschangaben gegenüber den FinB zu berichtigen oder falsche Angaben eines Dritten zu verhindern. Praktisch bedeutsam ist diese Frage aber dann nicht, wenn ohnehin § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO greift. Zu den sonstigen Fällen s. Rz. 223.
 

Rz. 205

[Autor/Stand] Die bloße Nichtzahlung einer Steuer stellt dagegen keine Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 1 AO dar[10]. Sie ist allerdings bei der gewerbsmäßig oder bandenmäßig begangenen Nichtentrichtung von Umsatzsteuer nach § 26a Abs. 1 UStG (bis zum 30.6.2021 § 26b UStG),[11] § 26c UStG[12] in den dort aufgeführten Fällen unter Streichung des früheren Tatbestandsmerkmals "in einer Rechnung im Sinne von § 14 ausgewiesene Umsatzsteuer" strafbar.

 

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