Rz. 337

[Autor/Stand] Der Verpflichtete muss die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung nachträglich, d.h. nach Abgabe der Erklärung, erkennen. Es reicht aus, dass er die Unrichtigkeit ernsthaft für möglich hält[2]. Dass er sie bloß (grob) fahrlässig verkennt, genügt hingegen nicht[3]. Kannte der Stpfl. die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Erklärung schon bei ihrer Abgabe, so liegt Steuerhinterziehung durch aktives Tun nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor. In diesem Fall ist § 153 Abs. 1 AO bereits vom Wortlaut her nicht anwendbar[4]. Jede weitere Verschleierungshandlung hat dann keine eigenständige Bedeutung mehr[5]. Kannte der Stpfl. die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung bei ihrer Abgabe noch nicht positiv, hielt er diese Mängel jedoch für möglich und nahm er diese Möglichkeit und die daraus resultierende Steuerverkürzung von vornherein billigend in Kauf (sog. dolus eventualis), so ist § 153 Abs. 1 AO ebenfalls nicht anwendbar[6]. Anderer Ansicht ist insoweit aber der 1. Strafsenat des BGH[7]:

"Nach Ansicht des Senats gebieten Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, eine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht aus dieser Vorschrift auch dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat, aber später zu der sicheren Erkenntnis gelangt ist, dass die Angaben unrichtig sind."

Nach Auffassung des 1. Strafsenats soll der Wortlaut des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO "eindeutig" eine Berichtigungspflicht vorsehen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen für eine solche Pflicht, um zu gewährleisten, dass die FinB von Besteuerungsgrundlagen Kenntnis erhalte, die ihr bislang noch nicht bekannt waren. Zwischen dem bei Abgabe der Steuererklärung gutgläubigen und dem mit bedingtem Vorsatz handelnden Stpfl. bestehe kein rechtlich bedeutsamer Unterschied. Die Pflicht treffe den Stpfl. erst dann, wenn er von der Unrichtigkeit seiner Erklärung tatsächlich Kenntnis erlangt habe, so dass die Steuerhinterziehung nicht zu einem Dauerdelikt werde[8].

Die Argumentation des BGH überzeugt nicht: Der Sprachgebrauch des StGB spricht gegen diese Deutung. Denn nach § 16 Abs. 1 StGB handelt derjenige ohne Vorsatz, der bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Selbstverständlich hat aber auch derjenige Kenntnis der Tatumstände i.S.d. § 16 Abs. 1 StGB, der (lediglich) ernsthaft mit dem Vorliegen der Tatumstände rechnet (dolus eventualis). Kenntnis im Sprachgebrauch des StGB, der über § 369 Abs. 2 AO auch für das Steuerstrafrecht verbindlich ist, schließt also den dolus eventualis ein[9]. Ein nachträgliches Erkennen ist aber nicht möglich, wenn man bereits Kenntnis hat.

Zwar wird § 370 Abs. 1 AO auch in der Deutung des BGH nicht zum Dauerdelikt[10], gleichwohl wird durch die Berichtigungspflicht die Verjährungsfrist ausgehebelt[11]. Wegen der Berichtigungspflicht des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO müsste zudem in Bezug auf die erste Steuerhinterziehung durch bedingt vorsätzliche Falschangaben im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte nicht nur mit dolus eventualis, sondern wissentlich durch falsche Angaben einen Steuerverkürzungserfolg herbeigeführt hat[12]. Rechnet der Stpfl. nur damit, dass seine ursprünglich unvorsätzlich gemachten Angaben falsch sind, ohne dies positiv zu wissen, würde zudem nach der Argumentation des BGH keine Berichtigungspflicht greifen. Der Stpfl. müsste alles tun, um eine sichere Kenntnis zu vermeiden. Auch das macht die Unstimmigkeit der Auffassung des 1. Strafsenats deutlich. Gegen eine Berichtigungspflicht spricht zudem, dass die ursprünglichen, vorsätzlichen Falschangaben mit der nachfolgenden unterlassenen Berichtigung ohnehin eine Bewertungseinheit und damit eine Tat im materiellen Sinn bilden[13]. So liegt auch nur ein Tötungsdelikt vor, wenn der Täter das Opfer durch Messerstiche töten will und es anschließend verbluten lässt[14].

Das zuletzt genannte Argument greift allerdings nicht für den nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO ebenfalls zur Berichtigung verpflichteten Gesamtrechtsnachfolger bzw. für neu eintretende Vertreter des Stpfl. nach §§ 34, 35 AO. Kannten diese Personen die Unrichtigkeit der ursprünglichen, von einem anderen abgegebenen Erklärung von Anfang an, so ist diese Kenntnis aufgrund der fehlenden steuerlichen Pflichtenstellung strafrechtlich ohne Belang. Das spricht dafür, sie trotz vorheriger Kenntnis zur Berichtigung zu verpflichten. Im natürlichen Sinn können diese Personen ebenfalls nichts nachträglich erfahren, in ihrer neuen Eigenschaft als steuerlich Verpflichtete hingegen schon[15].

"Die Berichtigungspflicht der C war nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie bereits vor dem Tod der Erblasserin Kenntnis von dem Kapitalvermögen im Ausland und den unrichtigen Steuererklärungen hatte, da für die nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge...

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