Leitsatz

1. Maßgebend für die Frage, ob ein Erstattungsanspruch für eine nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gezahlte Getreide-Mitverantwortungsabgabe besteht, sind die Vorschriften des MOG in entsprechender Anwendung und die AO.

2. Eine etwa in der Anmeldung liegende Festsetzung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe ist nicht nichtig. Auf den Bestand der Festsetzung hat das Senatsurteil vom 4.7.1996, VII R 32/95 (BFH/NV 1997, 317) keinen Einfluss.

3. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist kann der Antrag auf Aufhebung der danach endgültigen Festsetzung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe nicht mehr mit Erfolg gestellt werden.

4. Zur Verjährung eines Erstattungsanspruchs.

5. Der Eintritt der Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen, seine Geltendmachung steht nicht zur Disposition der Behörde.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 2 Nr. 3b MOG , § 12 MOG , § 37 Abs. 2 AO , § 47 AO , § 125 Abs. 1 AO , § 164 Abs. 2 und 4 AO , § 168 Abs. 1 Satz 1 AO , § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO , § 220 Abs. 2 AO , § 228 AO , § 229 Abs. 1 AO , § 232 AO , § 6 Abs. 1 GetrMVAV , § 32 GetrMVAV

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte 1997 die Erstattung der Mitverantwortungsabgabe Getreide der DDR beantragt. Diese Abgabe hatte eine LPG, aus welcher die Klägerin hervorgegangen ist, nach Aufforderung durch das Hauptzollamt für die Vermarktung von Getreide im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 1.7. bis zum 2.10.1990 im Januar 1991 angemeldet und anschließend auch gezahlt. Anlass für den Erstattungsantrag gab ein Urteil des BFH von 1996 (BFH/NV 1997, 317), welches die Erhebung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe in der ehemaligen DDR für rechtswidrig erklärt hatte.

Das HZA lehnte den Erstattungsantrag wegen Ablaufs der Festsetzungsverjährung zum 31.12.1996 ab. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem FG und dem BFH keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Maßgeblich für die Beurteilung des Streitfalls seien das MOG in entsprechender Anwendung und die AO, auf die § 12 MOG verweist. Auch wenn nämlich die Getreide-Mitverantwortungsabgabe nach den Marktordnungsvorschriften der DDR entstanden sei, könne sich ihre Erstattung nicht nach der Abgabenordnung der DDR richten, die mit dem Beitritt außer Kraft getreten ist, sondern nur nach der AO, weil ein etwaiger Erstattungsanspruch frühestens mit der Zahlung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe, also nach dem Beitritt, im Jahr 1991 entstanden sein kann.

Einschlägig sei folglich § 37 Abs. 2 AO, dessen Voraussetzungen indes nicht erfüllt seien. Denn entweder sei die Getreide-Mitverantwortungsabgabe nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder der Erstattungsanspruch sei durch Verjährung erloschen (nämlich in dem Fall, dass ein Rechtsgrund für die Zahlung nicht vorhanden war).

Rechtsgrund für die Zahlung könnte, da die betreffenden Rechtsvorschriften der DDR nichtig waren, die von der Klägerin abgegebene Abgabeanmeldung sein. Die Nichtigkeit der Rechtsvorschriften habe die Nichtigkeit der Anmeldung nicht zur Folge. Diese könne auch nicht mehr geändert werden, da die Festsetzungsfrist abgelaufen sei, bevor die Klägerin eine Änderung begehrt habe; der Vorbehalt der Nachprüfung entfalle mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO).

Möglicherweise fehle es aber an einem Rechtsgrund für die Zahlung, und zwar deshalb, weil eine gesetzliche Verpflichtung zur Anmeldung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe i.S.v. § 150 Abs. 1 Satz 2 AO nicht bestand. Dann wäre hinsichtlich des sofort bei Zahlung entstehenden Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO Zahlungsverjährung eingetreten (§§ 47, 232 AO).

 

Hinweis

1. Die DDR besaß in den letzten Monaten ihrer staatsrechtlichen Existenz ein Marktordnungsrecht, das dem Recht der landwirtschaftlichen Marktorganisationen der EG und den dazu ergangenen bundesdeutschen Durchführungsvorschriften, insbesondere dem Marktordnungsgesetz (MOG), nachgebildet war. Beachten Sie aber, dass Rechtsgrund der in diesem Rahmen erhobenen Marktordnungsabgaben Recht der DDR war, nicht solches der EG.

Nach dem Beitritt trat dieses DDR-Recht außer Kraft. Der Gesetzgeber ging wohl davon aus, dass alte DDR-Marktordnungs-Rechtsverhältnisse keiner besonderen Regelung (durch Überleitungsvorschriften) bedürften oder dass diese Funktion ohne weiteres das Marktordnungsrecht der Bundesrepublik übernehmen könne. Das MOG gilt indes ausdrücklich nur für die Durchführung von Rechtsakten der EG, kann also auf DDR-Abgaben zu Marktordnungszwecken allenfalls – im Weg der Lückenfüllung – entsprechend angewandt werden.

2. Ein ungeschriebener Grundsatz des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts besagt, dass stets das Recht anzuwenden ist, das in dem Zeitpunkt gilt, in dem eine Verfahrenshandlung vorgenommen wird (vgl. § 96 VwVfG). Demnach waren zu Zeiten der DDR begründete Mitverantwortungsabgabe-Rechtsverhältnisse nach dem Beitritt nicht nach DDR-Verfahrensrecht, sondern nach bundesdeutschem Recht abzuwickeln.

3. Eine Anmeldepflicht für die DDR-Mitverantwortungsabgabe war in diesem Recht nicht geregelt (wohl allerdings eine Anmeld...

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