Frage: Ich erstelle für Unternehmensmandanten und für Berufskollegen gelegentlich steuerliche Gutachten i. S. v. § 22 StBVV. Nun hat in einem Fall ein Auftraggeber vorzeitig, d. h. vor Fertigstellung des Gutachtens, den Auftrag gekündigt. Wir haben uns auf die Zahlung einer Pauschale geeinigt, die meinen Aufwand halbwegs abdeckt. Für künftige Fälle möchte ich mich diesbezüglich aber absichern. Ist es möglich, eine Vereinbarung für den Fall einer vorzeitigen Kündigung zu treffen, wonach mir dann ein bestimmter Prozentsatz des vorgesehenen Honorars (z. B. 75 %) zusteht?

Antwort: Ein Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens ist rechtlich als Werkvertrag zu klassifizieren (Feiter, eKommentar StBVV, § 22, Rz. 1, Stand: 13.4.2018; HBR 2/2016). Das Werkvertragsrecht sieht für Auftraggeber eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit vor (§ 648 BGB). Diese Belastung des Auftragsnehmers wird dadurch ausgeglichen, dass ihm bei einer vorzeitigen Kündigung die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zusteht (§ 648 Satz 2 BGB).

Sie müssten demnach beziffern, welchen Aufwand Sie sich durch die Kündigung erspart haben. Das kann schwierig und streitanfällig sein. Außerdem möchten Sie einen im Voraus festgelegten festen Anteil der Vergütung erhalten. Hierzu hat der BGH in einem älteren Urteil zur Steuerberatervergütung entschieden, dass eine Abrede, die jeglichen Abzug für ersparte Aufwendungen ausschließt und nicht einmal eine pauschale, etwa nach einem bestimmten Hundertsatz zu errechnende Verminderung der ursprünglich ausgemachten Vergütung festlegt, rechtlich unwirksam ist (BGH, Urteil v. 4.6.1970, VII ZR 187/68, Rz. 26, NJW 1970, S. 1596). Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass ein Abzug ersparter Aufwendungen i. S. v. § 648 Satz 2 BGB in einer pauschal festgelegten Höhe zulässig sein dürfte.

Als Kostenersparnis in Fällen der Nichtleistung wegen Annahmeverzug (§ 615 Satz 2 BGB) legt die Rechtsprechung 10 – 15 % der vereinbarten Vergütung zu Grunde (vgl. Feiter, eKommentar StBVV, § 12, Rz. 16.2, Stand: 16.3.2018; LG Duisburg, Urteil v. 1.3.2002, 10 O 36/95, Stbg 2001, S. 189). Dieser Ansatz dürfte grundsätzlich auf § 648 Satz 2 BGB übertragbar sein. Da Sie ein Honorar i. H. v. 75 % haben möchten, bedeutet dies eine pauschale Festlegung der ersparten Aufwendungen i. H. v. 25 %, was von dieser Rechtsprechung gedeckt wäre.

Da Sie eine entsprechende Vertragsformulierung voraussichtlich mehr als einmal verwenden möchten, liegt eine AGB i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB vor. Deshalb ist auch darauf zu achten, dass insofern kein Verstoß vorliegt. Nach § 307 Nr. 7a BGB ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, mit der im Fall einer (vorzeitigen) Kündigung eine unangemessen hohe Vergütung verlangt werden kann. § 308 Nr. 7a BGB gilt aber nicht im Verhältnis zwischen Unternehmern (§ 310 Abs. 1 BGB). Im zwischenunternehmerischen Rechtsverkehr ist "nur" die AGB-Generalklausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu beachten, wonach eine Vereinbarung in AGB unwirksam ist, wenn sie "mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren" ist. Laut Ihrem Vorschlag würden Sie bei vorzeitiger Kündigung aber nicht 100 % beanspruchen, sondern 75 %, würden also insofern bereits eine "Anrechnung" vornehmen. Damit bewegen Sie sich m. E. im Rahmen von § 648 Satz 2 BGB, weichen also von keinem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dürfte insofern nicht greifen.

Auch zu beachten ist § 309 Nr. 5b BGB, wonach die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung unwirksam ist, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist.

In Ihrem Fall geht es zwar nicht um Schadensersatz, wegen der vergleichbaren Interessenlage ist diese Vorschrift aber in analoger Anwendung auch Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit einer Klausel, die die Höhe der Vergütung des Beauftragten nach § 648 Satz 2 BGB bei vorzeitiger Vertragsbeendigung mit einer Pauschale regelt (BGH, Urteil v. 5.5.2011, VII ZR 161/10, NJW 2011, S. 3030; AG Ludwigslust, Urteil v. 4.3.2015, 5 C 207/14, Stbg 2016, S. 371). Auch im Verkehr zwischen Unternehmern ist § 309 Nr. 5b BGB gem. §§ 307, 310 Abs. 1 BGB grundsätzlich anzuwenden (BGH, Urteil v. 22.10.2015, VII ZR 58/14).

Bei Verwendung von AGB zwischen Unternehmern ist eine ausdrückliche Gestattung des Gegenbeweises i. S. v. § 309 Nr. 5b BGB nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn der Gegenbeweis nicht ausgeschlossen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 309 Rn. 32; BGH, Urteil v. 22.10.2015, VII ZR 58/14). In der von Ihnen gewünschten Konstellation kommt der Antritt des Gegenbeweises für einen Auftraggeber insbesondere dann in Betracht, wenn er den Gutachtenauftrag zeitnah nach Erteilung bereits wieder kündigt.

Nach alledem könnte Ihrem Anliegen durch Verwendung folg...

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