BAG: Rückzahlung von Fortbildungskosten

Mit Urteil vom 25.4.2023 befand das BAG eine in AGB vereinbarte Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten für unwirksam. Damit setzt das BAG seine Rechtsprechung fort, wonach entsprechende AGB-rechtliche Vereinbarungen klar regeln müssen, wann es zu einer Rückzahlungsverpflichtung kommen kann und insbesondere danach differenzieren müssen, in wessen Verantwortungs- und Risikobereich der die Rückzahlungspflicht auslösende Sachverhalt fällt.

Sachverhalt: Rückzahlungspflicht bei Vertragsbeendigung oder Nichtantritt der Prüfung

In dem streitgegenständlichen Fall war die beklagte Arbeitnehmerin als Buchhalterin bei der Klägerin, einer Steuerberater- und Wirtschafsprüferkanzlei, beschäftigt. Ab August 2017 nahm die Beklagte an einem „Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2018/2019“ teil. Sodan schlossen die Parteien – nach Ersuchen der Arbeitnehmerin um finanzielle Unterstützung – einen Fortbildungsvertrag. Danach sollten vom Arbeitgeber geleistete Fortbildungszahlungen zurückzugewähren sein, falls die Arbeitnehmerin das Examen wiederholt nicht antreten würde – wobei Härtefälle wie etwa Dauererkrankungen ausgenommen wurden – oder binnen zwei Jahren nach dem Examen kündigen sollte (sog. Bindungsfrist).

Die Arbeitnehmerin trat zwischen 2018 und 2020 nicht zur Prüfung an und kündigte ihr Arbeitsverhältnis im Mai 2020. Die Klägerin forderte daraufhin rund 4.000 EUR der insgesamt in Höhe von etwa 8.000 EUR geleisteten Fortbildungsunterstützung zurück. Dabei hatte die Klägerin in der I. und II. Instanz Erfolg – bis das BAG der in AGB vereinbarten Rückzahlungsvereinbarung auf die Revision der Beklagten hin eine Absage erteilte.

Einzelvertragliche grundsätzlich Vereinbarung zulässig

Das BAG hielt im Rahmen seiner Entscheidung zunächst fest, dass einzelvertragliche Vereinbarungen zur Rückzahlung von Fortbildungskosten grundsätzlich zulässig sind. Eine Regelung, nach der sich der Arbeitnehmer an den Kosten einer Ausbildungsmaßnahme zu beteiligen hat, stelle keine generelle unangemessene Benachteiligung dar. Das BAG verweist insoweit auf eine Entscheidung vom 1.3.2022 (9 AZR 260/21). Dort hatte es ausgeführt, dass auch in einzelvertraglichen Vereinbarungen eine Differenzierung hinsichtlich des Grundes für das vorzeitige Ausscheiden innerhalb der Bindungsfrist erforderlich sei. Rückzahlungsverpflichtungen, die ohne Differenzierung nach dem Grund schlicht an die Beendigung aufgrund Eigenkündigung anknüpften, könnten gegen Treu und Glauben verstoßen, da sie zu einer Einschränkung des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG führen könnten. Vor diesem Hintergrund müsse die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Außerdem müsse möglichen Nachteilen des Arbeitnehmers ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen – etwa, wenn die Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungspflicht darstellt. Die Erstattungspflicht müsse insgesamt und auch der Höhe nach dem Arbeitnehmer zumutbar sein. Anderenfalls seien etwaige Verluste durch das Wertloswerden der Weiterbildung der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzuordnen.

Nun befand das BAG, dass auch eine Rückzahlungspflicht bei wiederholtem Nichtablegen der Prüfung in einzelvertraglichen Vereinbarungen wegen Einschränkung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG eine unangemessene Benachteiligung darstellen könne. Auch hier müssen nach Auffassung des BAG die Gründe für das Nichtablegen Berücksichtigung finden. Insbesondere müssten Gründe außerhalb der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers ausgenommen werden.

BAG: Unangemessene Benachteiligung durch die per AGB vereinbarte Rückzahlungsklausel

Ausgehend von diesen Grundsätzen bzgl. möglicher Einschränkungen des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nahm das BAG sodann eine Prüfung der streitgegenständlichen AGB anhand der §§ 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB vor. Dabei gelangte das BAG zu dem Schluss, dass die Rückzahlungsklausel eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, da nicht danach differenziert werde, aus welchen Gründen die Arbeitnehmerin nicht an der Prüfung teilgenommen hab. Allein die Härtefallregelung sei nicht ausreichend, da insbesondere Eigenkündigungen nicht erfasst würden, die durch Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit) veranlasst seien. Es müssten diejenigen Gründe von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden, nicht in den Verantwortungsbereich der Arbeitnehmerin fallen. Zudem würde die Härtefallregelung nur das Nichtablegen des Examens erfassen, nicht aber eine vorzeitige Kündigung.

Das BAG hielt abschließend fest, dass es für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel nicht darauf ankomme, welche Gründe die Arbeitnehmerin im konkreten Fall veranlasst hätten, die Prüfung nicht abzulegen. Die AGB-rechtlichen Regelungen in §§ 305 ff. BGB würden bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln missbilligen. Die Unwirksamkeit trete auch ein, wenn sich das beanstandete Risiko im konkreten Fall nicht realisiert habe.

Rechtsfolge: Wegfall der Rückzahlungsklausel

Rechtsfolge einer unangemessen benachteiligenden Klausel ist gemäß § 306 Abs. 1 BGB der Wegfall derselben. Folglich ist die Rechtsgrundlage für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin entfallen – die Klage war abzuweisen.

Anforderungen an wirksame Rückzahlungsregelungen

Aus der Rechtsprechungsentwicklung des BAG lassen sich folgende Kriterien für eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung entnehmen:

  • Der Arbeitnehmer muss eine angemessene geldwerte Gegenleistung erhalten, etwa in Form der Eröffnung beruflicher Möglichkeiten.
  • Die Rückzahlungsvereinbarung muss vor Beginn der Fortbildung geschlossen werden, sofern die arbeitgeberseitige Unterstützung zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht.
  • Die zulässige maximale Bindungsdauer muss eingehalten werden. Diese liegt je nach Dauer bzw. Kosten der Fortbildung zwischen sechs Monaten und maximal fünf Jahren.
  • Die Rückzahlungsvereinbarung muss danach differenzieren, in wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (bzw. insgesamt die die Rückzahlung auslösenden Tatbestände) liegt. Zulässig ist eine Rückzahlungsvereinbarung etwa im Falle einer Eigenkündigung vor Ablauf der Bindungsfrist ohne vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers oder im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers. Auch eine Rückzahlungspflicht bei Abbruch der Bildungsmaßnahme aus Gründen, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat, ist zulässig.

Zurückzuzahlende Kosten

Neben der wirksamen Regelung der Rückzahlungspflicht als solcher ist auch der Umfang der zurückzuzahlenden Kosten zu regeln. Erfasst werden können das für die Zeit der Freistellung gezahlte Entgelt, der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen, Seminar- und Prüfungskosten sowie Fahrt-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten. Nicht zurückgefordert werden kann hingegen der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Art, Grund und Berechnungsgrundlagen müssen hierbei konkret angegeben werden – auch hier gilt die AGB-Kontrolle.

Fazit

Das BAG bewegt sich mit der aktuellen Entscheidung in seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, wonach es Rückzahlungsverpflichtungen zwar grundsätzlich als zulässig anerkennt, jedoch an deren Regelung im Einzelnen sehr hohe Anforderungen stellt. Für die Praxis bleibt aus Arbeitgebersicht festzuhalten, dass bei dem Abschluss einer Fortbildungsvereinbarung stets Vorsicht geboten ist – anderenfalls droht der Wegfall der Anspruchsgrundlage für etwaige Rückforderungen.

(BAG-Urteil v. 25.4.2023, 9 AZR 187/22)


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