Rückzahlung von Fortbildungskosten

Die Lehrgangsgebühren für die Fortbildung einer Mitarbeiterin, die nicht zur Prüfung angetreten war, durfte ein Arbeitgeber nicht zurück fordern. Die Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag benachteilige die Arbeitnehmerin unangemessen, entschied das BAG.

Finanziert der Arbeitgeber einem Beschäftigten eine Fortbildung, so kann er nicht pauschal eine Rückzahlungspflicht wegen wiederholtem Nichtablegen der Prüfung vereinbaren, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Fallkonstellationen, in denen die Gründe für das Nichtablegen der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin liegen, müssen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden, um eine un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Arbeitnehmenden zu ver­mei­den, so das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall.

Arbeitgeber fordert Fortbildungskosten zurück

Eine Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber, einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei, in der Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2020 als Buchhalterin beschäftigt. Ab August 2017 nahm sie an einem "Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung" teil. Der Arbeitgeber schloss mit der Arbeitnehmerin einen Fortbildungsvertrag, in dem per AGB vereinbart wurde, dass die Teilnahme an dieser Fortbildung im Interesse der beruflichen Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmerin erfolgt und dass die Weiterbildung mit einem Gesamtbetrag in Höhe von bis zu 10.000 Euro gefördert wird.

Die vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildungskosten waren zurückzuzahlen, wenn die Arbeitnehmerin innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem oder nicht bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt oder wenn sie das Examen wiederholt nicht ablegt.

Rückforderung wegen Nichtantritt zur Prüfung

Der Arbeitgeber erstattete seiner Arbeitnehmerin Lehrgangsgebühren in Höhe von insgesamt 3.883,93 Euro sowie die Anmeldegebühr zur Steuerberaterprüfung in Höhe von 200 Euro. Die Arbeitnehmerin trat jedoch weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018 noch zu den Prüfungen der Jahre 2019 und 2020 an. Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020. Der Arbeitgeber forderte daraufhin die von ihm gezahlten rund 4.000 Euro von ihr zurück.

Damit war der Arbeitgeber in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Lingen und in der Berufungsinstanz vor dem LAG Niedersachsen zunächst erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache jedoch im Revisionsverfahren anders und gab der Arbeitnehmerin Recht, dass kein Rückzahlungsanspruch bestehe.

Rückzahlungsklauseln sind generell zulässig

Bei den im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten und daher unwirksam sind.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er oder sie die Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmenden nicht generell unangemessen. Allerdings kann eine Rückzahlungsverpflichtung, die an ein wiederholtes Nichtablegen des angestrebten Examens anknüpft, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, da sie geeignet ist, auf den Arbeitnehmenden einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit sein Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einschränkt.  

Undifferenzierte Rückzahlungsklausel benachteiligt Arbeitnehmerin 

Um für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zumutbar zu sein, müsste die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und gleichzeitig müsste den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Hier knüpft die Rückzahlungspflicht jedoch an das wiederholte Nichtablegen des Examens an, ohne in erforderlichem Maß danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist. Praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, müssten aber von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden. Weil dies nicht geschehen ist, stellt die Rückzahlungsklausel des Fortbildungsvertrags eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar und ist daher unwirksam.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. April 2023, Az. 9 AZR 187/22


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