Ausrutschen auf der betrieblichen Toilette: ein Arbeitsunfall?

Das Aufsuchen einer Sanitäranlage während der Arbeitszeit gehört zum Alltag. Geschieht dabei ein Unfall, kann der von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt sein. Entscheidend ist, ob der Unfall sich auf dem Weg ereignete oder in den Toilettenräumen selbst. Der Versicherungsschutz endet regelmäßig mit dem Durchschreiten der Tür, die zur Toilettenanlage führt.

Eine in einem Feinkost- und Weinhandlungsgeschäft versicherungspflichtig beschäftigte Verkäuferin rutschte auf dem nassen Boden der Personaltoiletten aus, fiel und verletzte sich erheblich. Die Frau gab an, sie sei im Bereich der Schwelle zwischen dem Waschraum und dem Raum gestürzt, von dem die Toilettenkabinen zugänglich waren.

Berufsgenossenschaft lehnt Entschädigungsleistungen ab

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnt es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu zahlen. Begründung: Die zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit – in diesem Fall der Aufenthalt im Vorraum der Toiletten – sei eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit und daher nicht versichert. Der Versicherungsschutz ende regelmäßig mit dem Durchschreiten der Tür, die zur Toilettenanlage führe.

Das Sozialgericht hatte entschieden, dass die Frau keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Dieser Auffassung schloss sich auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg an. Entscheidend für die Frage, ob ein Versicherter zur Zeit eines Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe, ist die Handlungstendenz des Versicherten.

Handlungstendenz entscheidend für den Versicherungsschutz

Die für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz komme in dem von der Rechtsprechung verwendeten Begriff der dem Unternehmen „dienlichen“, „dienenden“ oder „zu dienen bestimmten“ Tätigkeit zum Ausdruck. Die Tätigkeit müsse mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung erfolgen und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, so genannter eigenwirtschaftlicher bzw. privatnütziger Tätigkeiten.

Verfolgung eigener Angelegenheiten: Keine versicherte Tätigkeit

Die Frau verrichtete im Unfallzeitpunkt keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit, entschied das Gericht. Denn der Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage habe in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Verkäuferin gestanden.

Die Frau habe sich im Unfallzeitpunkt nicht in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage aufgehalten, um damit eine (vermeintliche) Haupt- oder Nebenpflicht aus ihrem Arbeitsverhältnis als Verkäuferin zu erfüllen oder um ein eigenes, unternehmensbezogenes innerbetrieblichen Belangen dienendes Recht wahrzunehmen. Sie habe einzig und allein ihre Notdurft verrichtet.

Die Frau befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch nicht auf einem ausnahmsweise gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg zur Toilette.

Bundessozialgericht: Der Weg von und zur Toilette steht unter Versicherungsschutz

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht ein Versicherungsschutz für den Weg zur Toilette auf einem Betriebsgelände. Die Argumentation dahinter: Toilettengänge während der Arbeitszeit dienten dazu, die eigene Arbeitskraft zu erhalten. Sie ermöglichten damit mittelbar die jeweils aktuelle betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Wege, die zu diesem Zweck zurückgelegt werden, sind von dem mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziel geprägt.

Versicherungsschutz endet an der Toilettentür

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gehört hingegen die Verrichtung der Notdurft selbst sowie der Aufenthalt am Ort der Verrichtung der Notdurft zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, da sie unabhängig von einer betrieblichen Tätigkeit erforderlich ist (BSG, Urteil v. 06.12.1989, B 2 RU 5/89).

Zum Vorgang der Notdurft zählt nicht nur die Verrichtung derselben, sondern auch das Händewaschen und der damit verbundene gesamte Aufenthalt in allen zur Toilette gehörenden Räumlichkeiten, einschließlich des Waschbeckenraums. Daher endet der versicherte Weg an der Tür zur Toilettenanlage.

(LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.04.2020, L 10 U 2537/18).

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