rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensfehlerhafter Haftungsbescheid bei unzureichend begründeter Nichtinanspruchnahme weiterer Haftungsschuldner

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein ”wegen Bescheid über Umsatzsteuer“ erhobener Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der mit Einwendungen gegen die Haftungsinanspruchnahme erhoben wurde, ist in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des gegen den Antragsteller erlassenen Haftungsbescheids wegen Umsatzsteuer auszulegen.
  2. Im Fall der Haftungsinanspruchnahme des gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführers aus § 69 AO, der sich auf schlechte Vermögensverhältnisse beruft, ist die rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessen ernsthaft zweifelhaft, wenn auch eine Haftung gegen einen faktischen Geschäftsführer in Betracht zu ziehen, dies aber von der Finanzbehörde nicht näher erwogen wurde. Ermessensfehlerhaft ist es zudem, wenn die Finanzbehörde in diesem Fall geltend macht, dass der faktische Geschäftsführer schlechte Vermögensverhältnisse aufweist, zugleich aber die schlechten Vermögensverhältnisses des gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführers nicht zum Anlass genommen hat, von dessen Inanspruchnahme abzusehen.
 

Normenkette

AO §§ 191, 69; FGO §§ 102, 96

 

Streitjahr(e)

2014, 2015

 

Tatbestand

Der Antragsteller war seit Gründung am xx.xx.2013 bis zur Abberufung xx.07.2015 alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der im Handelsregister eingetragenen und dort am xx.xx.2016 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten A GmbH. Sein Nachfolger im Amt war bis zur Löschung Herr B. Aufgrund des Berichts der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt 3 vom 17.07.2018 betreffend die Voranmeldungszeiträume Januar 2014 bis Juni 2015 (Bl. 8 ff. des nach § 71 Abs. 2 FGO als Streitfallakten lediglich übersandten Bandes Haftung) und eines weiteren Berichts über eine Umsatzsteuersonderprüfung (nicht aktenkundig) kam der für die A GmbH örtlich zuständige Beklagte (das Finanzamt, im Folgenden: ,FA') zu dem Ergebnis, dass gegen die A GmbH aufgrund der Beteiligung an verschiedenen betrügerischen Lieferketten sowie wegen Nichtzahlung weiterer (festgesetzter) Rückstände offene Umsatzsteuerforderungen aus der Versagung des Vorsteuerabzugs für 2013 bis Juni 2015 und wegen Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen sowie wegen Körperschaftsteuer 2013 nebst Solidaritäts- und Verspätungszuschlag i.H.v. insgesamt xxxxx Euro bestünden und nahm den Antragsteller – nach Anhörung ohne Anforderungen von Auskünften am 09.10.2018 (Bl. 28 ff. der Haftungsakte) – wegen dieser Rückstände durch Bescheid vom 03.12.2020 unter Verweis auf § 71 AO und zusätzlich auf § 69 AO in Haftung (Bl. 41 ff. der Haftungsakte), wogegen der Antragsteller durch den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 16.12.2020 fristgerecht Einspruch einlegte (Bl. 56 der Haftungsakte) und mit einem weiteren Schreiben vom 16.12.2020 die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides beantragte (Bl. 59 ff. der Haftungsakte). Bereits am xx.xx.2018 hatte die Staatsanwaltschaft das gegen den Antragsteller eröffnete Steuerstrafverfahren allerdings mangels hinreichenden Tatverdachts mit der Begründung eingestellt, dass für die jeweiligen Handlungen zum Vorteil der A GmbH andere Personen als faktische Geschäftsführer tatsächlich tätig gewesen seien und dem Antragsteller eine Beteiligung an den Geschäften nicht nachgewiesen werden könne, auch wenn ihm die hohen Geldeingänge auf dem Bankkonto der A GmbH bekannt gewesen seien und er selbst Bargeld i.H.v. insgesamt xxxxx Mio. Euro abgehoben und den anderen Personen ausgehändigt habe (Bl. 74 ff. der Haftungsakte).

Am 25.02.2021 kündigte das für das FA im Erhebungsverfahren tätige Finanzamt 2 dem Antragsteller die Vollstreckung von Forderungen wegen [hier wörtlich ”Schuldgrund (Abgabenart):“] Umsatzsteuer für Januar 2014 bis Juni 2015 zuzüglich Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt xxxxx Euro an, ohne hierbei die A GmbH oder eine Haftung des Antragstellers für fremde Rückstände eines Dritten zu benennen (Bl. 70 der Haftungsakte). Hierauf Bezug nehmend (d.h. die Vollstreckungsankündigung vorlegend) wandte sich der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 08.03.2021 wegen ”Umsatzsteuer Januar bis Dezember 2014“ und ”Umsatzsteuer Januar 2015 bis Juni 2015“ an das Finanzamt 2 und das FA und erklärte, mit Schreiben vom 22.12.2020 ”gegen die vorgenannten Steuerbescheide“ Einspruch eingelegt und Vollziehungsaussetzung beantragt, hierüber bisher jedoch keine Entscheidung erhalten zu haben (Bl. 63 ff. der Haftungsakte). Dies nahm das FA zum Anlass, einen angeblichen Antrag des Antragstellers vom 16.12.2020 auf Aussetzung der Vollziehung der Abgaben ”Umsatzsteuer“ für ”Januar 2014 bis Juni 2015“ gemäß Bescheid vom jeweils ”03.12.2020“ mit der Begründung abzulehnen, dass der Antragsteller nach § 71 AO und § 69 AO hafte und an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides vom 03.12.2020 insgesamt keine Zweifel bestünden (Bl. 81 ff. der Haftungsakte, Bl. 31 ff. der Klageakte).

Unter Vorlage des genannten Ablehnu...

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